Ssßaterländer Apfelkuchen

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Als meine Oma an unserer statt hier gewohnt hat, buk sie gelegentlich Apfelkuchen. Der hieß Saterländer und das Anfangs-S kam rausgezischt wie Luft aus einem Ballon. Oma redete Platt und auch wenn ich kein Wort verstand, hörte ich dieser harten Sprache immer gern zu.
Einen Saterländer Apfelkuchen zu backen, ist nicht schwer. Er schmeckt süß und erfrischend und nach dem zweiten Stück ist mir über Stunden übel.
Allzu oft kann ich ihn nicht essen, aber dann und wann mache ich ihn doch und denke an die Frau, die hier so eigentümlich lebte.
Außerdem sieht er schön aus. Komm, ich zeig Dir, wie meine Oma ihn gebacken hat:

Für den Teig verknetest Du
__125 g Butter
__1 Ei
__100 g Zucker
__2 Päckchen Vanillezucker
__250 g Mehl
__1 Päckchen Backpulver
miteinander und flanschst ihn auf den Boden und an den Rand einer durchschnittlichen Springform.

Du putzt
__1 kg säuerliche Äpfel
schneidest sie in Scheiben und verteilst sie auf dem Teig.

Von
__750 ml Apfelsaft
nimmst Du ein paar Esslöffel ab und verrührst damit
__2 Päckchen Vanillepuddingpulver
__200 g Zucker
Den übrigen Apfelsaft kochst Du auf und gibst dann das Zucker-Puddingpulver-Gedöns dazu. Du rührst wie ein Verrückter, damit sich keine Klumpen bilden und sobald die Gelatine, oder was auch immer im Puddingpulver drinsteckt, ihre magischen Kräfte aus dem Revolvergürtel zieht und die Masse auf wundersame Weise fest werden lässt, kippst Du alles über die wartenden Äpfel.

Der Kuchen backt nun bei 200 Grad Celsius ungefähr eine Stunde lang im Ofen.
Danach wird er eine ganze Weile in Ruhe gelassen. Untersteh Dich, den Ring der Springform zu lockern. Solange der Kuchen nicht leichenstarr ist, wird er nicht angerührt, hast Du mich verstanden? Die Gelatine (oder welche giftigen Substanzen auch immer) hält erst dann die ganze Angelegenheit zuverlässig und stabil zusammen, wenn sie festgeworden ist und das dauert halt.

Solange wir dem Kuchen seine Zeit lassen, machen wir uns nun Gedanken, was wir als Bonus drauflegen.
Standard ist
__300 ml Sahne
__1 TL Honig
__Zimt
zu schlagen und auf den Kuchen zu geben. Ich zum Beispiel schmuggele manchmal Marzipanstückchen unter die Sahneschicht. Oder ich raspele Schokolade darüber. Oder ich bestreue sie mit gerösteten Mandelblättchen. Oder was auch immer halt. Karamellisierte Nüsse stell ich mir auch schmackhaft vor, eingelegten Kürbis nur eingeschränkt. Mach, wie Du meinst.
Hauptsache, Du nennst ihn Saterländer mit Schlangen-s, nicht Bienen-s.

Schneekind

Heute erwachte das Kind und es lag Schnee. Es rannte von Fenster zu Fenster und konnte sein Glück kaum fassen, denn überall war alles weiß. Sogar auf das Fußballtor hatte es eine Haube geschneit.
Dr. Schmotzen traf sich augenblicklich mit der Tante und dem Tantenfreund und baute Annika:
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Dann kehrte sie zurück in den heimischen Garten und erschuf Christoph:

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Zwischendurch dekorierte sie die Wiese mit ein paar Schneeengeln.
Dr. Schmotzen verschließt nicht etwa den Blick, weil der Moment der Himmelswesenwerdung so gnadenreich ist und ein göttlicher Funke in sie dringt. Man kann hier eher gut erkennen, wie groß des Kindes Furcht ist, Wasser in die Augen zu bekommen, egal in welchem Aggregatzustand.

Doppler und die Tüchtigkeit

Auf ben_s Empfehlung hin habe ich »Doppler« von Erlend Loe gelesen. Es geht um einen Norweger, der in Norwegen seine norwegische Familie verlässt, um fortan allein im norwegischen Wald zu wohnen. Norwegen an sich ist aber total egal, es könnte auch in Deutschland spielen oder in der Schweiz. An einer Stelle nennt er die Norweger »zugleich das netteste und das egoistischste Volk auf Erden«, das lässt sich prima auf viele Orte unter der Sonne übertragen.
Doppler steht also im Wald und bekommt Hunger. Er überfällt einen Elch und rammt ihm ein Messer in den Schädel. Das passiert gleich auf den ersten Seiten und ist so komisch, dass ich beim Lesen sehr lachen musste und das, obwohl neben dem Elch ein Elchkalb steht und auf der Stelle verwaist. Doppler nimmt das Elchfleisch und tauscht damit Lebensmittel und Gegenstände im Dorf. Und er nimmt das Elchkind, tauft es und macht es sich zum Zeltmitbewohner.

Wer ist Doppler und warum zieht er in den Wald?
»Ich bin Radfahrer. Und ich bin Ehemann und Vater und Sohn und Arbeitnehmer. Und Hausbesitzer. Und jede Menge sonst. Man ist so vieles.« Und neuerdings hat er eine Baustelle im Badezimmer, einen Ohrwurm, eine elbisch sprechende Tochter und einen toten Vater. Man hat so vieles.
Dann fährt er mit dem Fahrrad in den Wald, bleibt mit dem Vorderrad stecken und fällt ins Heidekraut. Dort liegt er dann einen Nachmittag lang und denkt nach und kommt zu der Erkenntnis, dass er die Menschen im Ganzen nicht mag. Er geht nicht mehr zur Arbeit und zieht auf unbestimmte Zeit in den Wald, wo er an seinem persönlichen Totempfahl arbeitet. Doppler ist also ein ganz normaler, tüchtiger Mensch, der plötzliche aufhört, zu funktionieren und sich einen Lebensgegenentwurf sucht. Das finde ich interessant. Zufällig behandelte mein zuletzt gelesenes Buch »Pferde stehlen« von Per Petterson ein ganz ähnliches Thema, ein Mann zieht in den norwegischen Wald, denkt über seinen Vater nach und arbeitet mit Holz.
Monsieur LeGimpsi und ich machen uns im Moment Gedanken darüber, wie wir leben wollen. Wie die Verteilung von Tüchtigkeit und Muße gleichmäßig möglich ist und wie man sich so ein Leben mit zwei schmalen Gehältern leisten kann. Gern, ohne, dass man aussteigen muss und im Wald wohnt. Wir sind noch zu keinem Schluss gekommen, es ist ja auch eine ziemlich schwierige Frage.
Ich habe das schmale Buch sehr gern gelesen. Erlend Loe mag ich für seine originelle, hagere Komik, in »Jens. Ein Mann will nach unten« hat sie mich bestens unterhalten, hier ein zweites Mal.

Fünf Teile sind mehr als drei

Der Schokoladennikolaus des Kindes liegt noch immer originalverpackt auf dem Weihnachtsteller, neben Nüssen und einer verschrumpelten Mandarine. Es sind die letzten Überreste des Süßigkeitenfests.
Dr. Schmotzen fragt, wann sie ihn essen darf.
»Hm, wir teilen ihn in drei Teile und dann darfst Du an den nächsten drei Tagen einen Haufen essen, ok?«
»Ok. Oder wir machen fünf Haufen. Darf ich? Dann hab ich ganz viel Schokolade!«

Mein erster Wackelzahn

Mein Kind ist groß! Es ist alt! Es erfüllt alle körperlichen Voraussetzungen für die Schule!
Heute Morgen biss Dr. Schmotzen ins Brötchen, murmelte aua, biss wieder ins Brötchen, murmelte wieder aua, ließ mich schauen, fühlen und siehe da, unten links, innerer Schneidezahn, Wackelzahn.
Darauf bin ich überhaupt nicht vorbereitet! Das kommt viel zu früh! Das Kind ist doch neulich erst fünf geworden. Das ist doch noch voll klein!
Ich sah ihm in die Augen, es war selbst auch nicht vorbereitet, wir sprechen nicht oft über Zähne. Während sich innerlich ein Circle-of-Life-Moment erhob, versicherte ich Dr. Schmotzen, dass da ganz bestimmt ein neuer Zahn nachwachsen wird, erklärte ihr, wie es sich mit einem Wackelzahn beim Essen verhält und dass man leider trotzdem auch weiterhin regelmäßig in Kontakt zu einer Zahnbürste treten müsse. Dann legte ich ihr verbindlich meine Hand auf die Schulter und sagte, dass mein Karstadt-Fine Bone China Geschirr später einmal ihr gehören solle. Also das Kaffeeservice. Ich denke, es war für uns beide ein angemessen feierlicher Moment. Ein zeremoniell würdevoller Eintritt ins Vorschulzeitalter, das bis zur Einschulung noch achtzehn Monate andauernd wird.
Wenn ich mir vorstelle, dass da planungsgemäß noch ca. neunundfünfzig weitere Milchzähne in meinem Mutterleben rumwackeln werden, hab ich den ersten zufriedenstellend in Empfang genommen.
Jedenfalls, ich bin stolz auf mein töchterliches Gebiss und sehr gerührt. Und ich fühle mich alt.

»Heute haben Matti und Timo und ich eine Bude gebaut.«
»Echt? Cool. Ein Räuberversteck?«
»Nee, ne Pommesbude.«

Der doofe Hobbit

Hm.
Monsieur LeGimpsi und ich waren mit b. und ben_ und weiteren Freunden des Auenlandes im zweiten Kleinen Hobbit. In der guten Version, 2D ohne achtmilliarden Bilder pro Sekunde, dafür mit Ton und in Farbe. ben_ ist vom Geschehen begeistert und ich nicht.
Monsieur LeGimpsi und ich spielen in letzter Zeit manchmal am Computer die Legoversion von Herr der Ringe. Da muss man am laufenden Band Aufgaben lösen und Wege freischaufeln und Orkse töten und Sam macht Feuer und das hat dann auch noch irgendeine andere Funktion als einfach nur zu wärmen und ein Lager zu bieten. Weil es ein anwendungsgetriebenes Spiel ist, wurde auf Narration nicht so viel Wert gelegt, glaub ich.
So kam mir das beim zweiten Hobbit-Teil dann aber auch vor. Dass dreizehn unsterbliche Zwerge, ein unsterblicher Hobbit und ein grauer Zauberer in direkter Abfolge Krisen überwinden, vom Regen in die Traufe in den Regen stolpern (vom anästhesierenden Unterholz ins Spinnennetz in die Elbengefangenschaft während eines kurzen Waldspaziergangs). Also, ohne Luft zu holen, ohne gruppenbildenden Gesang, ohne irgendwas. Ohne, dass man sich ein genaueres Bild davon machen könnte, wer da eigentlich unterwegs ist und wie dringend das Zielobjekt des ganzen Unternehmens benötigt wird (also Identitätssuche, Friedensfindung einer ethnischen Gruppe, wird eigentlich nicht beackert).
Das war mir irgendwie zu atemlos erzählt, trotz der hundertsechzig Minuten, die zur Verfügung standen. Die hätten gern ein paar Pfeile weniger abschießen können, die hätten von mir aus ganze Elbin/Zwerg-Liebeleien rausstreichen können, um dafür der Gruppe mal ohne äußerliche Bedrohung mehr Raum zu geben. Da fehlte mir sowas wie inhaltliche Substanz, was, an das ich mein Herz hängen könnte, damit ich den kleinen Leuten auch wirklich wünsche, die alte Socke Smaug zu vertreiben und den Goldschatz wieder selbst zu bewachen.
Ben_ sagt: »Die Entfernung von der Kinderbuch-Vorlage ist inzwischen so drastisch, dass man eigentlich nur noch davon sprechen kann, das die Filme vom Hobbit inspiriert sind.« Ich finde, »die Entfernung von Peter Jacksons Herrn der Ringe ist inzwischen so drastisch, dass man eigentlich nur noch davon sprechen kann, dass die Filme von ihm inspiriert sind.«
Was gutes: Ich habe seit den erste Minuten vom zweiten Hobbit total Lust auf alle Teile Herr der Ringe hintereinander weg. Sollte noch in diesem Winter zu schaffen sein.