Geschenkefinder, Teil 4

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Name: Antonia
Anlass: fünfter Geburtstag
Geschenk: Lego (Ich weiß, ich weiß. Gegendertes Spielzeug kommt direkt aus der Hölle. Aber Dr. Schmotzen bestand darauf, dass Antonia sich von allen Geschenken der Welt genau über dieses Legoset am allermeisten freuen würde. Und weil sie es schon aus dem Spielzeugabteilungsregal geklaubt hatte und fest in den Händen hielt, habe ich es gekauft. Gibt es eigentlich Spielzeugläden mit ausschließlich genderneutralem Sortiment? Sind die rentabel?)
Dauer der Freude: och ja. Dafür, dass es das einzig wahre Geschenk war, erstaunlich kurz.

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Seit gestern bin ich dreißig.
Eigentlich bin ich schon seit Dr. Schmotzens Geburt dreißig, da war ich nämlich Mitte zwanzig und passte mit einem Mal überhaupt nicht mehr in dieses Jahrzehnt. Das lag am plötzlichen Klotz Verantwortung und am Wegfall von einigen Wahlmöglichkeiten, die die Leute in meinem Alter um mich herum so haben. Ich bin also eigentlich schon seit sechs Jahren dreißig. Gestern hab ich diesen Zustand dann mal gefeiert.

Um viertel vor sieben bekam ich auf der Toilette von Mann und Kind ein Lied gesungen und gepogt haben sie auch. Leider musste Monsieur LeGimpsi dann wie gewöhnlich ins Büro und Dr. Schmotzen marschierte in den Kindergarten. Da hab ich also erstmal in aller Stille gefrühstückt und mich gefragt, ob ich jetzt einfach so tun soll, als ob nichts wäre oder mir ein Partykleid anziehe und ein Konzert höre. Hab mich für letzteres entschieden, ein Partykleid angezogen und The Cat Empire aufgelegt.

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Dann bin ich mit der anderen vor dreißig Jahren Beteiligten durch den Wald spaziert und wir haben zum zwölfhundertsten Mal festgestellt, dass wir Mutter und Tochter sind. Wir sind durch sumpfige Wiesen und über zugewachsene Wege gelaufen und sie hat mich da durchgeführt, als lebte sie in Wäldern. Was ja im Prinzip auch stimmt.
Und zurück bei ihr zu Hause ging dann irgendwann die Tür auf und alle standen plötzlich im Raum! Wie schön das war! Und meine Schwester nahm ein Tuch und wickelte es mir um den Kopf bis ich nichts mehr sah und wir alle fuhren davon.
Das ist mal das allerschlimmste Gefühl, mit verbundenen Augen Auto zu fahren. Da kommt der Gleichgewichtssinn nicht hinterher. Der beschwert sich bei jeder Kurve und jedem Tempowechsel. Ich weiß nicht, ob das an mir persönlich liegt, mir wird ja schon im Kinderkarussell so schlecht, dass der Tag für mich gelaufen ist. Jedenfalls habe ich jetzt nicht mehr nur Angst, dass mich jemand bei einer Entführung in den Kofferraum einer Limousine steckt, sondern mich auf der Rückbank fahren lässt und mir die Augen verbindet oder nen Pappkarton auf den Kopf setzt. Ohne visuelle Orientierung während der Fahrt geht gar nicht.

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Jedenfalls sind sie mit mir dann irgendwann ausgestiegen und dann haben wir Minigolf gespielt. Und das war eine sehr lustige Sache, weil erstens wir als Kinder mit unseren Eltern schon an diesem Ort Minigolf spielten und der eine, der vor drei Jahren abhanden kam, plötzlich auch irgendwie anwesend war. Zweitens weil ich bestimmt seit fünfzehn Jahren nicht mehr diese heitere, gemütliche Form des Geschicklichkeitsspiels betrieben hatte. Und so lag eine sehr fröhliche, unironische Wolke über den Minigolfbahnen und wir haben wirklich versucht, unter sieben Schlägen pro Loch zu bleiben. Und ich glaube, ich hätte auch tatsächlich gewonnen, wenn mein Bruder nicht plötzlich den Ehrgeiz entwickelt hätte, mich minigolfmäßig zu vernichten.

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Ich wurde sehr schön beschenkt. Eine Geburtstagskette habe ich bekommen. Die darf ich immer nur am Geburtstag tragen und nicht unter der Dusche. Einen Biokistengutschein habe ich bekommen, Freunde berichten sehr glücklich darüber, so eine Gemüsekiste fand ich schon lange gut. Dass wir nun bald regelmäßig eine angeliefert bekommen, freut mich sehr. Einen Miniaturstuhl habe ich bekommen. Ich hätte nämlich wählen können, zwischen diesem Stuhl in groß und nicht aus Pappmaché und der Biokiste. Habe mich für die Vitamine entschieden. Solange die Möglichkeit besteht, dass hier zukünftig noch ein, zwei weitere Menschenkinder dazustoßen, sitze ich lieber auf alten, verlebten Holzstühlen und ärgere mich nicht über jede neue Macke und einmassierte Tomatensoße. Staffeln zwei und drei habe ich bekommen. Ich freue mich wie verrückt darauf, endlich mal wieder eine Serie mit Monsieur LeGimpsi zu schauen. Jetzt müssen wir erst noch die Bücher zu Ende lesen und das kann dauern, aber winter is coming. Das wird gemütlich! Und gruselig. Gute Wünsche und nette Worte habe ich bekommen.

Dreißig bin ich jetzt also. Eigentlich hab ich schon viel geschafft bislang, find ich. Monsieur LeGimpsi gefunden und bis in alle Ewigkeit behalten. Kind gemacht und bis zum jetzt beginnenden letzten Kindergartenjahr begleitet. Job bekommen, bei dem es nicht langweilig wird.
Und da ist noch ganz viel ungenutzter Raum, der bereitsteht und wartet, bis wir ihn füllen. Da gibts noch viel Weißfläche, viele Baustellen, viele Wünsche und noch viel zu vergebene Liebe.

 

 

 

Tomatensalat

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In diesen Wochen sind Tomaten meine besten Freunde. Auf dem Teller und sonst auch.
Zu jeder anderen Jahreszeit hab ich sie ja bereits gern, wenn ich ne Stulle esse, sind in den allermeisten Fällen Tomaten dabei. Ne Stulle ohne Tomaten, da würd ich vermutlich vertrocknen. Eigentlich reichen mir Pfeffer und Salz, im Sommer noch Basilikum als Geschmacksverstärker.
Im Moment aber schmecken Tomaten so richtig gut, Tomatenzeit eben. Darum geb ich mir ein minifuzzibisschen mehr Mühe und mach einen Tomatensalat und der geht so:

Du brauchst
__ Tomaten, die Dir sympathisch sind. Ich mags, wenn alles durcheinander ist: große, kleine, rote, gelbe, grüne Tomaten, sie liegen mir alle gleich nah am Herzen. Für den Salat nehme ich zwei große und eine Handvoll kleine Tomaten.

Die Tomaten in Scheiben schneiden oder halbieren und auf einem großen Teller nebeneinander im rechten Winkel anordnen.

__ 1 EL Kräuteressig
__ 3 EL Sonnenblumenöl
__ 2 EL Tomatensaft
__ 1 TL Honig
__ Salz
__ Pfeffer
miteinander vermischen.

__ 1 oder 2 getrocknete Tomaten
__ 1 Knoblauchzehe
__ 1 kleine rote Zwiebel
__ 1 Handvoll Basilikum
__ 1 Handvoll Petersilie
kleinsthacken, mit dem Dressing vermischen und alles über den Tomaten verteilen. Gib ihnen zwanzig Minuten, sich aneinander zu gewöhnen und dann lass Dir dazu Baguette oder Kartoffeln oder was Gegrilltes oder Herrgott was auch immer schmecken.

Ostsee

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Soo. Wir waren im Urlaub. Und zwar zum ersten Mal. Das Kind war völlig aus dem Häuschen von dem Konzept, dass man sich Wohnungen auf Zeit mieten kann und dort dann alles vorhanden ist. Sogar ein Bett! Sogar ein Klo! Sogar Haustürschlüssel! Und einmal lag sogar Post im Briefkasten, da ist unser Briefträger den ganzen weiten Weg nur für einen Brief gefahren.

Die Tage gestalten sich so: Vom singenden Kind geweckt werden. Ist nicht unüblich, normalerweise liegt aber ein langer Flur dazwischen. In der Ferienwohnung steht das Schlafsofa mit Tochter drin direkt neben Bett mit uns drin. Die Nacht endet, wenn das Kind singt. Frühstück, dann auf zum Strand. Strandkorb mieten, optimal zur Sonne, zum Wind, zum Meer ausrichten, reinsetzen, lesen. Krebsbeine finden, mittags Pommes holen, Möwen füttern, Pippi Langstrumpf vorlesen, Butterkekse essen, Möwen füttern, Füße einbuddeln, lesen, um den Strandkorb laufen, Fuß ins Meer halten, Strandkorb dichtmachen, durch den Park der schiefen Bäume zur Ferienwohnung gehen, Abendbrot essen, auf der Terrasse lesen, malen, in die Dusche, um acht Uhr todmüde ins Bett fallen, lesen.

Die Ferienwohnung war ziemlich klein und bestand aus einem Raum, es gab also keine Ausweichmöglichkeiten. Waren wir nicht dort, waren wir zu dritt im Strandkorb. Wir waren also immer zusammen. Die ganze Zeit. Wir entwickelten eine ganz eigene Art des Wahnsinns.  Ab dem zweiten Tag sprachen wir nur noch mit umgekehrtem Sinn miteinander.  Das war anfangs noch ganz lustig, uferte dann aber etwas aus. Ich denke, der Nutzen war kathartischer Natur. Auf Außenstehende mag das etwas irritierend gewirkt haben, kennt man aber den Code („immer genau das Gegenteil! Das Gegenteil, Mama!“) sprachen wir in blühendsten Rosen zueinander. War aber trotzdem etwas heikel, so mitten im Café zu sitzen und auf Gegenteilisch zu reden. Das Kind löffelt friedlich Eis: „Boah, Papa, Du bist das Bekloppteste, was es gibt. Wirklich! Ich hab Dich überhaupt nicht lieb.“ Monsieur LeGimpsi: „Danke, gleichfalls, völlig beklopptes Kind.“

Das war eine schöne Woche. Gerne wieder, gern nächstes Mal woanders, gern gleich eng.