Jon, Daenerys und Ayra

Am Wochenende ist was nicht so schönes passiert, das hat mich ein wenig aus den Socken gehauen. Also nicht so, dass ich auf freier Strecke halten musste, aber ich war schon irritiert und bins immer noch und denke einmal mehr, dass die Bindfäden, die unsere Köpfe in der Vertikalen halten, echt dünn gesponnen sind.
Jedenfalls hatte ich danach das Bedürfnis, mal so richtig zu lesen. Mich so richtig ablenken zu lassen. So richtig rein ins Buch und nicht weiter nachdenken. Keine schwere Kost, am besten mit Schwertern, Adel und nem Ehrbegriff mit geringem Durchmesser. Mit Pferden und witterungsbedingten Unannehmlichkeiten. Und da hab ich angefangen, Game of Thrones zu lesen. Und es erfüllt seinen Zweck allererste Sahne.
Vor längerer Zeit haben Monsieur LeGimpsi und ich die erste Staffel geschaut und danach sofort aufgehört, weil wir zunächst die Bücher lesen wollten. Haben wir dann aber nicht gemacht und müssen seither wie Bescheuerte in manchen Ecken des Internets von Stein zu Stein hüpfen, um uns nicht spoilern zu lassen.
Das Grundgerüst war mir bei Lektürebeginn also noch bekannt und so brauchte es ungefähr drei Minuten und zwei Blicke aus eisblauen toten Augen und ich hing am Haken. Seither freu ich mich über die kapitelweisen Erzählperspektiven, die immer die genau passende Figur in den Blick nehmen, während die Geschichte in Blitzgeschwindigkeit vorantreibt und alle möglichen Eigenheiten des Menschen Kern durchklöppelt.
Und über die dreimilliarden Seiten, die noch vor mir liegen.

Im Zirkus

Heute Zirkus. Memo an mich: Nie wieder Zirkus. Zumindest nicht von der kleinen* Sorte. Und nur noch ohne Tiere.
Das Zelt war winzig, sauerstoffundurchlässig und aus Kunststoff. Ich hatte das Gefühl, in einer Plastiktüte zu sitzen. Es gab keinen Notausgang und als die letzten Zuschauer ihre Plätze gefunden hatten, wurde der Eingang zulaminiert.

Jemand drückte den Knopf eines Kassettenrekorders und wir hörten ABBAs Super Trouper in einer Instrumental-Techno-Version. Dann die Ansage vom Ansager, dass wir uns von nun an im Reich der Romantik und Fantasie befänden.

Das Programm teilte sich in vier Disziplinen auf: Tiernummern, Akrobatik, Clownerie, Merchandising.

Die Tiernummern: Den vier Pferden aus Andalusien wurden die Köpfe an den Hals gebunden. Sie sahen dadurch wie Springer auf nem Schachbrett aus. Oder wie Seepferchen. Auf jeden Fall hab ich sofort gedacht, dass es bestimmt keinen Spaß macht, mit eingedrehtem Haupt in minimalem Radius und höchster Geschwindigkeit im Dreivierteltakt den Wiener Walzer für Pferde tanzen zu müssen und andauernd mit irgendwelchen Peitschen im Takt gehalten zu werden.
Oder als kleines, dickes Pony vier Männer gleichzeitig im Galopp durch die Manege zu tragen, die Turnübungen auf mir machen und mich am Schweif ziehen. Nicht so schön. Dabei sagte der Zirkusdirektor extra, dass seine Art der Tierhaltung die internationale Note eins, also sehr gut, also besser gehts nicht, also absolut lobens- und unterstützenswert erhalten habe.

Bei der Akrobatik hatte ich ziemlich Sorge. Nicht weil die Nummern so spektakulär gewesen wären, sondern wegen Talentmangels bei den Artisten. Die hatten ihre Körperbeherrschung nicht immer richtig im Griff und wirkten durchaus etwas behäbig. Dabei wurden Übungen gezeigt, die man im Sport-LK bestimmt auch mal macht. Stühle so zu stapeln, dass sie nicht zu sehr an Stabilität verlieren, ist keine besondere Kunst und dann dort drauf nen Handstand zu machen, stelle ich mir jetzt auch nicht allzu schwer vor, wenn man Handstände im Allgemeinen beherrscht.

Die Clowns. Hach ja. Publikum einzubeziehen ist ja so ne Sache. Das stresst mich total, da kann ich überhaupt nicht entspannen. Vor allem, wenns nicht charmant und transparent gemacht wird und die armen Leute also nicht genau wissen, was passiert, wenn sie in die requisitenlose Manege gezogen werden und sich vorher schon drei geweigert haben.
Ansonsten zerplatzten viele Luftballons und Popcorn flog rum. Hm.

Merchandising. Begleitend zur Hauptshow wurden zwischen den Nummern Nebenprodukte wie die Tierschau und das Pony- und Kamelreiten angekündigt. Da gab es dann extra eine Pausenunterbrechung, in der man Tickets für beide kaufen und sich auf ein Kamel setzen sollte. Wie gut, dass das Kind sich eh öfter mal auf nem Tier befindet, da war das Bedürfnis nicht allzu groß und wir blieben einfach an unserem Platz und haben geschaut.

Überhaupt das Kind. Fand natürlich alles toll, selbst die runtergeleierten Ansagen. Flatterkostümchen mit Glitzer, Kunst aufm Pferd, Schaukeln unterm Zeltdach, kleine Hunde, die auf Ziegen reiten, Clowns, die auf den Hintern fallen, Dr. Schmotzen war dermaßen drin im Land der Romantik und Fantasie. Und alle übrigen Kinder auch, glaub ich. Ach Kinder, ihr unkritischen Dinger.

* Natürlich können kleine Zirkusse bei den Programmen der Großen nicht mithalten. Die haben ja mehr Budget, mehr Artisten, größere Zelte, einfach mehr Ressourcen. Trotzdem gehts bestimmt auch klein und fein, so wie hier vielleicht.