Meine Hefe
Heute Morgen wachte ich auf und musste nicht zur Arbeit.
Das ist jeden Freitag so und jeden Freitag mache ich mir eine Notiz, die mich daran erinnern soll, nie mehr als dreißig Stunden in der Woche an außerhäusigen Schreibtischen zu sitzen, egal wie prekär das Leben dann auch ist. Ein dreitägiges Wochenende fühlt sich großartigst an. Es besteht aus einem Samstag und zwei Sonntagen, wovon einer verkaufsoffen ist.
An Freitagen wache ich meistens früh auf. Mein Biorhythmus ist noch arbeitsalltäglich unterwegs. Freitags ist mir das egal, da fühle ich mich der arbeitenden Bevölkerung solidarisch und verlasse die Bettstatt einigermaßen gut gelaunt früher als ich müsste. Und dann sitzen Dr. Schmotzen, die aufgrund ihres Betriebskindergartenbeschäftigungsverhältnisses freitags auch schon Wochenende hat und das bereits an Donnerstagen allen möglichen Menschen erzählt, woraufhin sie repräsentatives Material zu Studien der deutschen Neidgesellschaft sammelt, und ich vor Scheiben Brot mit Rübenkraut und trinken Milch und überlegen, welche von den miesen Pflichtsachen gestrichen werden können. Heute waren das ziemlich viele Dinge, die wir links liegen ließen. Staubsaugen, Kloputzen, sowas.
Dafür haben wir einen umfassenden Backauftrag erledigt. Und der hieß Hefe.
Ich mag Hefeteige. Die kann ich so schön bemuttern. Erst knete ich sie bis sie nicht mehr an mir kleben, dann stelle ich sie an einen warmen Ort, zwischendurch knete ich sie wieder und irgendwann sind sie wunderbar groß und porig und elastisch und willig. Hefeteige wollen gut behandelt werden, normales Kneten reicht nicht, Du musst sie mit Hingabe und Bewusstsein kneten. Mit Hefeteigen habe ich meine Geduld und meinen Fokus trainiert. Eine spitzenmäßige Vorbereitung für das Leben mit Dr. Schmotzen. Außerdem sind Hefeteige unbeeindruckbar, wenn es darum geht, von einem zweiundzwanzig Jahre alten Elektroofen, ohne Unterhitze und mit unregulierbarer Wärmezufuhr gebacken zu werden.
Heute also haben das Kind und ich das Mittagessen ausfallen lassen und stattdessen gleich zwei Hefeteigbackwaren produziert. Es gab statt Kartoffeln mit Gemüse Zimtrollen mit Zuckerguss und Mohnzopf mit Butter.
Die Hefeteige wachsen in unseren Bäuchen weiter, unterdessen liegen wir als Referenz auf die folgenden zwei Sonntage auf dem Sofa und schauen in Bücher.