Ich bin entzückt

und liebe Dr. Schmotzens Schreibfertigkeiten. Sie braucht zwar zwanzig Minuten und die Unterstützung sämtlicher Finge, Zehen und Zähne um auszurechnen, wie viel siebzehn minus acht ist, aber den richtigen Genitiv bei s-Endung hat sie drauf. Weil das mal in nem Buch so verwendet wurde und ihr Kopf dann eine Regel daraus abgeleitet hat. Und dann auch noch orthotypografisch tiptop umgesetzt. Mein Mädchen, ehrlich mal.

Fährste Tunnelstraße

Heute vor fünf Jahren habe ich dich zum letzten Mal gesehen. Ich hab dich gesehen und wusste nicht, dass es kein weiteres Mal gibt. Kann man sich das vorstellen? Wenn man unsterblich ist, nicht. Und scheiß unsterblich waren wir nunmal. Da hatten wir ja auch keine andere Wahl.
Dass du einen Tag später weg sein würdest, einfach so abhanden gekommen, hätte sich so unwahrscheinlich angefühlt, wie Dinge sind, die nur anderen passieren. Schwanger mit Fünflingen, in der Schlange hinter Paul McCartney stehen, sieben Autos auf einmal gewinnen. Wenn wir überhaupt daran gedacht hätten.
Du warst dann ziemlich plötzlich weg und hast mehr mitgenommen, als man so meinen würde, wenn man es halt nicht besser weiß, so wie wir heute vor fünf Jahren. Mehr als nur dich auf jeden Fall. Dafür hast du etwas da gelassen. Ein neues Konzept, ein anderes Gefühl, es ist alles ein wenig abgetönter, als sei man in ein Parallelleben geraten und das ideale baumelt an einer Angelschnur vor einem, immer zwei Zentimeter zu weit entfernt, um es zu erreichen. Das klingt fieser als es ist. Die Dinge jetzt sind gut. Es ist mehr so ein allesistgutschadedassdunichtdabeibistmitdirwäreesnochbesser-Gefühl.
Am nächsten Tag hätte ich eine Verabredung gehabt und ich fragte dich nach dem Weg dahin. Weil ich nie den Weg irgendwohin kenne und weil du immer den Weg überallhin kanntest und wenns eine Baustelle gab, dann auch die Umleitung und wenn man Zeit hatte auch noch die die schönste Strecke, die aber natürlich länger war und dadurch schwieriger sich zu merken und darum hab ich heimlich nie zugehört. Heute vor fünf Jahren hast du mich am Ende zum Auto gebracht und das letzte was du zu mir gesagt hast, war „Och, das ist doch ganz einfach eigentlich, da fährste am besten Tunnelstraße.“ Wenn ich mir so überlege, dass du mir zum Schluss, als letztes eine Wegbeschreibung mitgegeben hast, ist das eine ganz gute Art sich zu verabschieden, finde ich.
Am nächsten Tag hab ich dann aber trotzdem nicht die Tunnelstraße genommen.

11 Fragen

Frau Rabe hat eine Runde Fragen verteilt und die sind so angenehm geschlossen, da muss man nicht lang schnacken, das geht ratzfatz mit der Antwort, vielleicht.

1. Meer oder Berge?
Meer. Wobei ich noch nicht wirklich in den Bergen war. Ich stand einmal auf dem Brocken im Harz, aber der ist vermutlich eher als Hügel gemeint.

2. Fast-Food oder 3-Gänge-Menü?
Fast Food. Da ist dann vor allem auch gesundes Zeug mitgedacht.

3. Wahrheit oder Pflicht?
Wahrheit, mein Herz ist größtenteils rein.

4. Haus oder Wohnung?
Wohnung reicht, find ich.

5. Auto oder Fahrrad?
Phh, leider Auto. Mit dem Fahrrad kommt man in meiner Gegend nicht weit. Wir sind umgeben von nix und Bundesstraßen.

6. In der Disko: Theke oder Tanzfläche?
Disko ist nicht mein Ort.

7. Netflix oder Buch?
Netflix hat mein Leseverhalten versaut. Aber ich gebe das Buch nicht auf. Grad les ich Die Asche meiner Mutter übersetzt von Harry Rowohlt und ich empfehle es. Der Anfang ist ein wenig anstrengend, auf den ersten hundert Seiten werden drei Kinder geboren, die alle an Mangelernährung und sonstiger Armut sterben, aber sonst geht es durchaus auch heiter zu.

8. Geld oder (Frei-)Zeit?
Offensichtlich Zeit. Wenn ich nicht grad meine Elternzeit um 100 Prozent auf zwei Jahre verlängere, arbeite ich in Teilzeit und das gern noch eine kleine Ewigkeit so weiter.

9. Delegieren oder selber machen?
Selber machen. Wenn ich Sachen delegiere, führt mein Kopf sie trotzdem aus, dagegen kann ich nix tun. Hinzu kommen dann aber noch stressvolle Gedanken, dass das Ergebnis des tatsächlich Ausführenden und sein Entscheidungsweg bis dahin nicht meinen Erwartungen entsprechen werden und so mache ich lieber gleich alles selbst. Außerdem kann ich grundsätzlich zwar vorzüglich entspannen aber auch echt gut anpacken.

10. Kochen oder Abwaschen?
Erst die winzige Küche aufräumen, dann kochen, während des Kochens alles maximal ordentlich halten, dann essen, dann die Spülmaschine einräumen.

11. Offline-Urlaub: „bwaaahaha, nee!!!“ oder „oh, ja, endlich!!!“?
Ich würde das echt gern mal probieren, aber das ist nix für Monsieur LeGimpsi. Vielleicht mach ich mal ganz allein Urlaub am Meer, nur Bücher, Fastfood, ein Hollandrad und ich.

Der Stein der Weisen


Monsieur LeGimpsi hat einen großen selbstgelegten Meilenstein erreicht:
Eines seiner Kinder ist alt genug, um Harry Potter kennenzulernen. Findet er. Ich glaube, er konnte es einfach nicht mehr aushalten, noch länger mit diesem Stück großer Kinderliteratur zu warten, das muss er ja immerhin schon fast seit acht Jahren. Und schließlich war das ja vermutlich einer der Hautgründe, überhaupt Kinder zu bekommen.

Zwischen dem Protagonisten und seiner neuesten Leserin liegen jedenfalls über drei Jahre Altersunterschied. Das ist in Kinderjahren ja durchaus eine größere Menge Zeit, vielleicht ist Dr. Schmotzen also noch zu jung, um Harry Potter umfassend würdigen und verstehen zu können. Wir werden sehen.
Monsieur LeGimpsi ist da wesentlich optimistischer und so schaffte er den ersten Band als neu aufgelegte Schmuckausgabe mit Illustrationen von Jim Kay an. Und ein Schmuckstück ist er von vorn bis hinten: fester Einband, Lesebändchen, vierfarbiger Druck, dickes, mattes Papier, angenehmer Textsatz und echt mal beeindruckende raumgreifende Illustrationen. Ich musste direkt schwören, dem Kind daraus nicht selbst eine Silbe vorzulesen. Auf dem Projekt arbeiten allein Dr. Schmotzen und Monsieur LeGimpsi, ich hab mich da bitte rauszuhalten. Gestern Abend war Kickoff und das erste Kapitel dran, Dr. Schmotzen war gleich am Haken und versprach höchstens nur noch ganz wenige Seiten heimlich weiter zu lesen.