Über vergessene Schokolade
Gelegentlich denke ich, der Kindes Hirn kann so groß nicht sein. Manchmal läuft es über und dann schaltet es auf Reset.
Von elterlich nicht beeinflussbaren Osterhasentrittbrettfahrern bekam Dr. Schmotzen nie gesehene Mengen Süßwaren, die sie zum Schluss zu suchen zu träge war. Der Moment, in dem das Versteck seiner Funktion beraubt wurde, verlor nach dem siebenundachtzigsten Mal seine Adrenalinboten. Irgendwann wurden die Stücke einfach nur noch pflichtbewusst in den Korb gelegt.
Dr. Schmotzen verteilte in der letzen Phase mehrere Schokoladeneinheiten an fremde Kinder, das ist doppelt denkwürdig, erstens schenkt sie außer Selbstgemaltem nichts, zweitens spricht sie nicht mit unbekannten Menschen.
Sie sammelte in den beiden Ostertagen drei Behälter voll Zuckermasse und durfte über die Zeit verstreut ein halbes Dutzend konsumieren. Als wir am Montagabend im Auto nach Hause fuhren, verfiel das Kind erschöpft in Schlaf. Der Henkel eines Ostersüßigkeitenträgers glitt aus der Hand und als sie erwachte, war es passiert. Sie hatte ihren unermesslichen Reichtum an Schlotzigkeit vergessen. Wusste noch, dass Ostern gewesen war, freute sich über ein Buch, das sie bekommen hatte und fragte, wann wir zu Hause seien. Sie sprach nicht vom Zucker. Spricht bis heute nicht davon. Der Monsieur und ich haben die amnestischen Objekte unbemerkt in den oberen Schrank gelegt und lassen sie jeden Tag ein wenig in unserem Bauch verschwinden. Wir waren uns sicher, der Schritt zur Objektpermanenz hätte das Kind schon vor Jahren getan, also fristgerecht irgendwie.
Auf Lebzeiten hätte sie ausgesorgt. Sie hätte niemals nur einen Groschen Taschengeld zum Kiosk tragen müssen. Sie hätte Mittagessen als Nachtisch und Schokolade als Mittagessen haben können. Sie hätte jeden Kuchen dieser Welt mit Asservaten aus ihrem Schokoladenarchiv kuvertieren können.
Liebes Kind, wenn Du hier irgendwann liest: Dieser Vorfall ist verjährt. Dein Anspruch auf rechtmäßigen Süßwarenbesitz verfiel innerhalb Haltbarkeitsdatumsfrist, wir haben eine gesundheitsamtliche Beglaubigung beim Notar hinterlegt.
Ist nicht meine Schuld! Außerdem auch längst verjährt!