Der illustrierte Tag VII
Kann ein Tag schöner beginnen als mit Singen? Eben, darum kommt zu uns, Ihr Volkslieder aus Thüringen, Baden, Böhmen, von der Ruhr und vom Niederrhein, aus den Alpenländern und aus Schwaben. Wir singen Euch, bei uns könnt Ihr greisen Dinger leben.
Dr. Schmotzens heutige Lagerstätte befindet sich unter dem Klavier. Ist aber auch ein lauschiger Platz. Dort sitzt sie, sortiert, liest, singt, schimpft die Puppe und ab und zu kann man ein zufriedenes „demütlichtait“ vernehmen.
Wir sind voll angekommen in der wundersamen und eigenlogischen Welt einer Zweijährigen. Und so verbringe ich Stunden meines Lebens damit, meiner Tochter zuzuschauen, wie sie ernst und geduldig darauf wartet („bissi pusten!“), dass ihr imaginierter Tee abkühlt, damit sie ihn wie Espresso aus einem Playmobilmännchenhut trinken kann.
Heute ist Sonntag, heute habe ich Zeit zum Kochen. Seit ich den halben Tag an fremden Schreibtischen rumturne wird das Kochen wie ich es mag auf das Wochenende verschoben. Da kann ich in Muße schnippseln und tüfteln und warten. Auf Lasagne zum Beispiel.
Dr. Schmotzen schläft und ich vergnüge mich mit einem Buch in der Sonne. Mein Blick fällt auf das angrenzende Spargelfeld. Osteuropäische Spargelstecher arbeiten sich seit Stunden mit krummem Rücken an der Pflanze ab. Durch die Gitterstäbe des Gartenzauns betrachtet, ähneln sie Gefangenen eines Arbeitslagers. Ich fühle mich wie die Frau eines Kolonialherren und überlege, solidarisch mitzuernten. Ich finde meine Gummistiefel nicht und lege mich aufs Sofa. Keine Spargelstecher weit und breit und der introspektive Knechtereivorwurf ist auch verschwunden.
Ikeakekse sind mir. Wenn Monsieur LeGimpsi mal abhaut, halb so schlimm, ich lasse diese knusprigen Schokoschatzis bei uns einziehen. Die können in seinem Bett schlafen, seine CD-Sammlung hören, ich würd die auch heiraten, von mir aus sogar mit Ehevertrag. Heißa, das gäbe feine Kinder.
Bügeln ist das allerletzte. Erstens steht das Brett in einer Touristenhochburg für Spinnen und zweitens verlangt es das Beherrschen einer komplizierten Technik, derer ich niemals habhaft werde. So teile ich frisch Gewaschenes in die Falten- und Knitterkategorien „gerade so noch tragbar“ und „gerade so nicht mehr tragbar“. Gerade so noch Tragbares ist zwar knittrig, die Furchen können sich aber beim Tragen glätten oder eignen sich, in Sitzfalten überführt zu werden. Gerade so nicht mehr Tragbares ähnelt einem unsäglichen Modetrend Ende der Neunziger und zerschlägt dauerhaft jenes filigrane sozialpsychologische Geflecht, das jeden von uns umgibt.
Manchmal versuche ich, gerade so nicht mehr Tragbares Monsieur LeGimpsis Bügelberg unterzuschieben. In seiner peniblen Oberstudienratart beherrscht er die Bügeltechnik natürlich perfekt. Merkt er die wundersame Bügelwäschevermehrung gibts einen riesen Aufstand, bei dessen Kulminationspunkt er einen der sozialpädagogischen Vorträge hält, die er eigens für mich vorrätig ausarbeitet.
Er weigert sich, verantwortlicher Ressortleiter des Bügelhandwerks zu sein, da fühle er sich stigmatisiert und reduziert. Jeder bügelt für sich allein.
Und so kaufte ich mir gestern ein Bügelbrettchen. Es ist mobil, findet bequem auf meinem Schreibtisch Platz und kann auch fünf Minuten bevor ich zur Arbeit fahre schnell noch aufgestellt werden. Gut, jetzt erstmal habe ich es natürlich hinten in den Schrank gestellt. Vorübergehend.
Heute Polizeiruf 110 mit Schmücke. Soviel Schnarchigkeit hält kein Mensch aus. Ich vertiefe mich in meine Pizza und hoffe, die kommende Woche fängt besser an, als diese uns seit 20:15 Uhr verlässt.