Badminton

Das Beste ist, wie der Körper sich an alte Abläufe erinnert.
Die Beine machen ihre Arbeit, der Schläger trifft, wo er soll, die linke Hand hält warum auch immer die Spannung.

Samstags spiele ich wieder Badminton. So wie früher, so wie in den Neunzigern, meine allererste Sportart. Und der Körper zieht nach dreißig Jahren eine Schublade auf, holt die alte Diskette raus, pustet einmal drüber und installiert 800 Stunden Training ins laufende System. Was natürlich nicht rund läuft, weil aus einem elfjährigen Körper ein neununddreißigjähriger Körper geworden ist und außerdem einige spätere Disketten so ziemlich viel überschrieben haben. Hat auch, glaub ich, öfter mal ins Laufwerk reingeregnet. Erst war Badminton, dann kam Tennis und hat meine Technik irgendwie komisch verschnörkelt und dann kam Volleyball und zieht mich dicht ans Netz. Aber Tennis hat mir auch Genauigkeit für den Treffpunkt des Balls gegeben und Volleyball das Gefühl für den Raum, wenn man sich das Spielfeld mit anderen teilt.

Immer samstags merke ich, ich habe mal etwas gründlich gelernt und gut gekonnt und auch wenn ich es eine Ewigkeit nicht angeschaut habe, es ist noch in mir und wenn ich will, kann ich mit ihm spielen. Es ist ein ganz verrücktes, interessantes Gefühl. Es ist, als hätte ich eine alte Spardose mit meinem Taschengeld gefunden und es gehört auf magische Weise noch mir und die Frau in der Bäckerei nimmt tatsächlich auch D-Mark und gibt mir zuckerhaltige Konsumgüter dafür. Es ist völlig nutzlos und macht so viel Spaß. Ich bin froh, dass ich viele vorpubertäre Montage und Freitage damit verbracht habe, hinter Federbällen her zu rennen und sie möglichst effizient mit einem Schläger zu treffen.

Ich kann immer noch den Ball mit dem Schläger vom Boden aufheben und das ist das beste Gefühl. Auch das beste Gefühl ist Techniktraining. Wenn wir immer wieder dieselben Schläge üben. Wenn man fünfzigmal einen kurzen Ball hinterm Netz mit der Rückhand lang nach hinten schlägt. Wie sich nach den ersten Bällen direkt ein Rhythmus einstellt und man einfach nur ein Körper ist, der immer dieselben Bewegungsabläufe wiederholt. Drei seitliche Schritte nach vorn, Ausfallschritt, mit dem Handgelenk zugreifen, nach oben ziehen, ich setze immer zu viel Arm ein, den Ball hoch und weit rausschlagen, drei seitliche Schritte zurück in die Mitte und direkt wieder zurück ans Netz. Wie der Kopf ganz leer wird und man nur noch atmet und läuft und schlägt. Wie schön Badmintonbälle fliegen, wenn man sie trifft. Wie schön eine Halle mit acht Feldern klingt, wenn alle dasselbe üben. Das beste Gefühl ist, einen Trainer zu haben, der Ansagen macht und korrigiert und regelt, wer mit wem spielt, wann gewechselt wird, wann getrunken, was trainiert, wer gegen wen. Der einfach alles vorgibt in einer klaren, zugewandten Art. Jetzt Drops machen, jetzt dreimal lang, zweimal kurz, jetzt die Bälle ausspielen, jetzt Taktiktraining. Ich gehe samstags dahin und mache das nur für mich. Ich bin nicht Teil einer Mannschaft, muss nicht gut fürs Team spielen, niemand erwartet irgendwas, meine Fehler interessieren keinen. Das beste ist, mit immer jemand anderem Doppel oder Mixed zu spielen. Immer wieder mit einer neuen Person rauszufinden, wie man sich organisiert, immer wieder neu zu gucken, wie gut die Raumverteilung klappt. Manche sind ganz lange dabei, manche noch ganz neu. Eine beißt immer zwischendurch in ihr Brötchen, neben dem Brötchen liegen Karotten und Äpfel, eine ganze Brotdose voll, so eine Art von Training ist das. Da sind Leute, die wollen einfach ein bisschen spielen und wenn man dabei auch mal gewinnt, ist das recht erfreulich, aber nicht entscheidend. Was auch stimmt: Wer am Samstagvormittag in der Halle steht, hat Bock.

Eigentlich spiele ich vor allem gegen mich. Gegen meine Erinnerung, wie es früher einmal war. Wie viel Kondition ich mal hatte, wie schnell meine Reaktion war und wie hart die Schmetterbälle. Wie die Schulter noch nicht weh tat und ich noch besser sehen konnte. Selbst wenn ich mich jetzt richtig reinhängen würde, käme ich da nicht mehr hin. Aber das ist ok, Akzeptanz wird mittrainiert.
Das beste Gefühl ist, meinen alten Schläger von damals, meinen blauen Schläger aus einem Guss, mit der Bespannung von damals, die ich nach jedem Ballwechsel zurechtziehen muss, in der Hand zu halten und die Person von jetzt zu sein.

One Reply to “Badminton”

  1. Oooh wie gut sich das liest. Und wie gut, dass du das wieder für dich entdeckt hast.

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