Where children sleep

2004 begann James Mollison die Zimmer und Schlafstätten von Kindern auf der ganzen Welt zu fotografieren. 50 dieser Porträts stellt er in seinem Bildband Where Children Sleep vor. Dokumentarisch und entlarvend. Spielzeugexplosionen neben Miniaturdesignermöbellandschaften neben abgerissenen Couches neben nichts.


(Süddeutsche Zeitung Magazin Nummer 40, 8. Oktober 2010)

Monsieur LeGimpsi schimpft

Monsieur LeGimpsi ist ein sehr unterschiedlicher Mensch. Zu mir. Wenn er sich etwas vornimmt, macht er eine sorgfältige Planung, Tage zuvor. Niemals käme ihm um vier Uhr nachmittags in den Sinn, den Rasen zu mähen. Impromptu. So etwas legt er sich zurecht und fügt es in einen Zeitplan ein, den er in Gedanken stets bei sich trägt. Er sagt dann: Am Samstag gegen elf werde ich den Rasen mähen. Und dann macht er das auch. Jeden Morgen fragt er mich Was hast Du für den Tag geplant? Ich gebe dann schnell eine relativ vage Antwort Ich werde heute mein Buch lesen. So fällt nicht sofort auf, dass ich keine Pläne mache. Ich bin anders. Ich sage zu Dr. Schmotzen Lass uns in den Garten gehen. Und dann fange ich an, Staub zu saugen. Natürlich werde ich mit Charlotte in den Garten gehen, nur ist mir eben kurz etwas dazwischen gekommen. Das treibt Monsieur LeGimpsi in den Wahnsinn und sorgt bei ihm für eine Grundnervösität. Er sagt Du solltest Dr. Schmotzen nicht mit widersprüchlichen Informationen speisen. Ich finde, das tue ich nicht. Dr. Schmotzen kann sich darauf vorbereiten, in einem Zeitfenster, das die nächsten zehn bis sechzig Minuten umfasst, mit mir in den Garten zu gehen. Das muss solch ein kleiner Kinderkopf erstmal verarbeiten. Womöglich bildet sie auch noch Vorfreude, das ist doch etwas Gutes.

Unantastbares Middlebrow

The Sopranos, Six Feet Under, Dexter, Californication, The Wire, neuerdings Mad Men.
In den USA laufen sie unter dem Gattungsbegriff Middlebrow.
In Deutschland steht man wort- und ratlos vor der Vermarktung dieser sorgfältig produzierten amerikanischen TV-Serien, an denen jegliche Versuche der Synchronisation und Einverdeutschung scheitern müssen. Wie auch nicht?
Hierzulande hapert es bereits an der eigenen Genrebezeichnung.
Middlebrow ist andersartig. Es vermischt Hoch- mit Popkultur, referiert durch intertextuelle Verweise auf Kultur, Geschichte und Politik. Ein ironischer, kulturell verankerter Subtext, der nur im Originären bleiben kann, unantastbar.
Deutsche Fernsehmacher sind beeindruckt von hohen Zuschauerzahlen im Produktionsland, kaufen die Lizenzen und bearbeiten. Neben die der üblichen Übersetzungsproblematik geschuldeten Bedeutungsverschiebungen gesellt sich eine angreifbare, kostengünstige wie unsensibel geführte Synchronisation, die das Material angreift, die eine neue Lesart erzwingt. Die den Wert nimmt.
Dem Konsumenten bleibt die DVD mit der Originalversion als Ausweg.
Wir sollten lernen, unsere eigenen kulturellen Kontexte künstlerisch zu verdichten. Bleiben wir diesmal bei uns, erschaffen wir aus uns, versuchen wir nicht, andere Erfolge deutsch anzustreichen, sie gehören uns nicht.
Dominik Graf hat es geschafft: Ach, Marek, Grischa, Wodka!

In bed with

Monsieur LeGimpsi. Der ist nämlich krank. Halsschmerzen und so ein ganzheitlich fiebriges Gefühl. Ich bin begeistert. Da werd ich ja sofort oberschwesternmäßig und fühle meine mütterliche Fürsorglichkeit aktiviert. Geheim hätte ich gern sieben Kinder, die alle gleichzeitig Röteln bekommen. Dann könnte ich mir eine Schürze umbinden, meine Hände in Essig waschen, Köpfe über Schüsseln halten, Betten neu beziehen, Fieber messen, Tee kochen, Zwieback reichen, trösten und vorlesen.
Um Monsieur LeGimpsi kümmert sich schon jemand anderes; Dr. Schmotzen hat ihm eine Kissenschlacht verordnet.

Sonnentag

Vielleicht der letzte in diesem Jahr.
Was für eine Ruhe: Dr. Schmotzen schläft sich den Rotz aus der Nase. Monsieur LeGimspi radelt eine Erkundungstour und hofft, auf eine Eisdiele zu stoßen. Und ich sitze im im Garten, regeneriere das Verhältnis zu meinem Buch und mag grad alles.

Zimtstreusel

Ich habe einen neuen Lieblingskuchen. Der besteht zu großen Teilen aus Zwetschgen. Weil ihnen der saisonale Tod bevorsteht, habe ich 9 Pfund von den niedlichen, süßen Dingern eingefroren. Das wird ein sorgloser Winter.

Um ein Blech dieses wundervollen Kuchens herzustellen, brauchst Du
300 g Mehl
2 Päckchen Sahnepuddingpulver
240 g Butter
120 g Zucker
2 Eier
2 Messerspitzen Backpulver
2 Schuss Rumaroma
All das verknetest Du bis zur Sehnenscheidenentzündung und gibst den Teig auf ein gefettetes Backblech.

Du putzt, entkernst und verteilst 1 kg Zwetschgen auf den Kuchenboden.

Aus
200 g Mehl
150 g Butter
100 g Zucker
4 Päckchen Vanillinzucker
2 TL Zimt
machst Du die Streusel. Du zerbröselst sie über die Pflaumen und schiebst die ganze Herrlichkeit bei 180° Grad für 30-40 Minuten in den Ofen. Wenn Dein Ofen so alt ist wie meiner, dürfen auch gern 200° Grad herrschen. Der Kuchen braucht dann 50 Minuten.

Am allerbesten schmeckt er lauwarm mit Sahne. Dazu trinkst Du Milch.

Olivengedanken

Seit neuestem, man könnte es fast schon in Stunden zählen, mag ich Oliven. Das ist beachtlich. Niemals esse ich Honig oder Rosinen und bis vor kurzem eben auch keine Oliven. Sie schmeckten irgendwie benzinartig. Jetzt nicht mehr.
Als Kind habe ich mit dem lieben Gott eine Verhandlung geführt und als Einsatz Honigbrote vorgeschlagen. Jeden Tag wollte ich eines essen. Honig ist das allerletze, wenn Du mich fragst. Honig hat diesen extrem stimmungsverändernden Eigengeschmack. Ätherisch angreifend. Jedenfalls ging es bei dem Deal um Leben und Tod. Nach drei Tagen konnte ich kein Honigbrot mehr essen. Stundenlang saß ich davor. Hauchdünn hatte ich den Honig auf das Brot gestrichen. Ich versuchte, mir die Nase beim Kauen zuzuhalten, das sollte den Geschmacksnerv ausschalten. Allein, es half nicht. Jemand ist ein paar Tage danach gestorben und ich war sehr lange Zeit sehr beeindruckt.

Wenn

das aktuelle Buch von den Stimuli seines Nachfolgers derart überlagert wird, leidet es fortan an einer ganz, ganz miesen Lebenserwartung.
Trotzdem, es wird gemocht.