Spuren

Die Sonne strahlt in jede dunkle Ecke und findet den Fleck. Sie scheint gegen das Fenster.
Dr. Schmotzens fetthaltige Fingerschmierereien brechen das Licht und werfen asymmetrische Schattenmuster auf den Boden. Wenn ich die Glasscheiben nie wieder putzte, blieben sie für immer konserviert. Eine Ansammlung von Tatsachenberichten über Nachmittage mit Waffeln und Vanilleeis.
Ich denke an Deine Abdrücke und Deine Spuren. Deine Papillarleisten an Türklinken, Schubladen, Würfeln, an Deinem Sessel, in dem niemand sitzt, an tausenden Tennisbällen, an Deiner Liege für die Sonne, an der Hängematte, am Klettergerüst, in der Zwergenkammer, dem perfekten Versteck, am Müllcontainer, an Deinem Weg rauf und runter, hin und her, am Werkzeug, am Rasierapparat, an Autoreifen, an Deiner Thermoskanne, an den Schrauben, die Du in meine Wände gebohrt hast, an unzähligen Stühlen und Tischen und Tafeln und Projektoren und Schränken, auf Eineuro- und Zweieuromünzen überall auf der Welt. An Deine Fußabdrücke im weichen Boden am Wehr, auf Asche, am Bach, im Sandkasten, in frischem Beton, auf dem Teppich im Keller, den man nur in Socken betreten darf.
Wir werden drüberleben. Verwischen sie, vermischen sie. Wir machen sie zur zahllosen Tapetenschicht über und unter anderen. Niemand wird sie je entdecken, sie machen keinen Unterschied. Aber sie sind da. Weil Du da warst.

One Reply to “Spuren”

  1. Das ist sehr schön Fzerozero. Letztens war ich auf einem Poetry-Slam hier in Hamburg in der Austerbar und etwas vergleichbar schönes ist nicht dabei gewesen – Kompliment!

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