Im abnehmenden Licht

Eugen Ruge hat ein Buch geschrieben: »In Zeiten des abnehmenden Lichts«, ich las es gern. Stilistisch ist es eins der Besten. Eine deutsch-russische Familiengeschichte vom Beginn der DDR bis ins einundzwanzigste Jahrhundert.

Narrativ anspruchsvoll mit drei sich durchmischenden Zeitachsen, zwei von ihnen mit wechselnden Perspektiven, Protagonisten in vier Altersstufen. Ein Karussell an Erlebnisberichten, Färbungen, gegensätzlichen Wahrnehmungen, Generationskonflikten, Kulturunterschieden, politischen Ideologien und der sich über alles legenden geschichtlichen Entwicklung.

So wird erzählt ohne zu benennen, Wendungen und repetitive Elemente rücken zurecht, manche Lücken schließen sich, andere nicht, Geschichtsfragmente komponiert in einer langen eleganten Bewegung.
Das Aufbrechen der Chronologie bedeutet erzählerische Vorausgriffe, die das zeitlich vorgelagerte Geschehen in ihre Richtung ziehen. Das abschnittsweise Erzählen der Familiengeschichte beginnt in den Fünfzigern und wird unterbrochen von einem Tag im Jahr Neunundachtzig, dem neunzigsten Geburtstag des Großvaters. Es entsteht ein Spiel zwischen verschiedenzeitlichen Abschnitten und diesem Fixpunkt, in dem das Erzählte kulminiert, sich auflöst, oder der neue Impulse für weitere Erzählstücke gibt. Dieser Tag zieht und schiebt die Handlung rückwärts und vorwärts. Darüber gespannt ist die teils surreale Reise des Enkels durch Mexiko im Jahr Zweitausendeins.

Die Umsetzung ist in der Rezeption dann weit weniger kompliziert als meine verschwurbelte Beschreibung, das Buch liest sich leicht und schwungvoll. Es ist sprachlich bedachtsam und originell geschrieben. Es kommen keine Drachen vor. Eben darum: Ich las es gern.
(Was fast niemand weiß: Scrivener wurde für diesen Roman programmiert.)

One Reply to “Im abnehmenden Licht”

  1. Keine Drachen? Ohschade … klang erst so gut.

    Scrivener ist in der Tat sehr erstaunlich. Das einizge was mich von einer Verwendung auch im Alltag abhält ist das dämliche RTF Format. Ich kann es kaum noch ertragen nicht die absolute Kontrolle über meine Formatierung und den Quelltext zu haben.

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