Die geschenkte Zeit

Dr. Schmotzen ist bei ihren Großeltern, Monsieur LeGimpsi verschlug es in die Uni und ich habe einen Nachmittag für mich. Einen Nachmittag für mich.
Was für eine verheißungsvolle und kontingente Vorstellung. Wie neurotisch-chaotisch hedonistisch die Umsetzung. Ich habe verlernt, mich zu beschäftigen.
Wie ein nervöses Kaninchen springe ich von einer Idee zur nächsten. Alles will ich in diese geschenkten Stunden stopfen. Alles soll passieren. Alles will ich auskosten.
Lesen möchte ich. In Ruhe, ohne bananenverschmierte Kinderhände, die Seiten umblättern und Buchstaben verstecken.
Ich las und dachte: Lesen kannst Du, wenn Du tot bist. Tue lieber etwas, zu dem Du sonst keine Zeit hast.
Ich ging in das Büro von Monsieur LeGimpsi. Eine CD wollte ich mir aussuchen. So leise war es überall, sie weiß, wie leise. Ich stand vor dem Regal und konnte mich nicht entscheiden. Die Musik für meinen Nachmittag. Die Auswahl, zu groß. Mein Mut, so klein.
Ich bekam rote Flecken und beschloss, die Wäsche zu machen. Mit Muße nämlich, ohne nebenbei ein Kind zu unterhalten. Das stellte ich mir entspannend vor. Es hat dann doch eher wenig Spaß bereitet.
Ich setzte mich auf die Couch, klappte den Laptop auf. Und schaute mir Frisurenvideos auf youtube an. Das habe ich noch nie getan. Wenn ich einen Abschlussball vor mir hätte, wüsste ich vier Frisuren, die ich mir gern angedeihen lassen würde. Das finde ich beruhigend.
Von mir aus, können die beiden jetzt zurückkommen.

One Reply to “Die geschenkte Zeit”

  1. […] Die Autorin von “Limit of Control” hat in Schloss Holte ausnahmsweise einmal einen ganzen Nachmittag für sich alleine Zeit. Doch Bücher bleiben ungelesen und Musik ungehört. Am Ende hat Youtube die Zeit aufgefressen. Verflixte Frisurenvideos: Limit Of Control – Die geschenkte Zeit […]

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