Heiraten ist okay

Heute vor zwei Jahren kaufte mein Bruder sich einen Laptop. Ich weiß noch, wie er mit der Saturnplastiktüte in der Hand ins Standesamt marschierte. Eine Baskenmütze trug er auch. Der darf das und hätten wir Trauzeugen gebraucht, er wäre meiner gewesen. Jedenfalls läuft heute die Garantie der Hardware ab.
Heute vor zwei Jahren haben Monsieur LeGimpsi und ich geheiratet. Ich kann das nur jedem empfehlen, es ist okay, es verändert nichts, es macht mich Fühlen wie eine Hofdame des achtzehnten Jahrhunderts, ständig laufe ich durch die Gegend und denke bei jedem Anflug von Augenkontakt mit Teilnehmern männlichen Geschlechts: »Wie können Sie es wagen, ich bin eine verheiratete Frau! Sie Strolch!« Ja, Heiraten hat meinem Leben Dramatik verliehen. Vorerst bleibe ich Gattin.
Passend zur Raumdekoration im standesamtlichen Büro bewies ich eine glückliche Hand und wählte brombeerfarbene Kleidung. Die Braut verschmolz mit ihrer Umgebung aus brombeerfarbenen Polyestertischläufern, brombeerfarbenen Kunstblumen und brombeerfarbenen Elektrokerzen. Die Vollstreckungsbeamtin verlas eine metaphorisch bodenlose Rede, währendder mir der Bedarf an guten Trauansprachen auffiel und ich gedanklich an einem Businessplan als Eheschließungstexterin arbeitete. Mittlerweile ist mir auch eine Lücke im Markt der Trauerkarten aufgefallen. Hier suche ich als Geschäftspartner noch einen Grafiker.
An der Stelle endlich, als mein »ja« die Eheabsichten wohltemperiert und hoffnungsvoll besiegeln sollte, knurrte entschlossen und melodisch meiner Mutters Magen.
Monsieur LeGimpsi indes ließ sich äußert viel Zeit mit der Formulierung seiner Zustimmung. Unter den Freundinnen der Braut war in diesen Schreckminuten nervöses Gezische bis zum Trauschreibtisch zu vernehmen: »So ein Arsch!«, »Das hat sie nicht verdient!«, »Mit dem Schlachter wäre das nicht passiert!« Retrospektivisch meint Monsieur LeGimpsi, der performative Charakter des Sprechakts habe ihn in diesem Moment beeindruckt, sein Leben sei in kurzer Sequenz an ihm vorbeigezogen und ihm sei erleichtert bewusst geworden, dass seine Zukunft nun an mich gekoppelt ist. Der Glückspilz. Mein Vater gratulierte mir anschließend zum Zustand als Gattin mit: »Heiraten ist ja schön und gut. Aber ich halte keine Rede!« Das aber von Herzen.
Dies ist unser offizielles Hochzeitsfoto. Ich hoffe, unsere Garantie hält noch ein schönes Weilchen.

4 Replies to “Heiraten ist okay”

  1. Glückwunsch!
    Ich find´ heiraten auch voll ok. Und was die Rede angeht: wir hatten darum gebeten auf Kitsch und Schnulz zu verzichten, vorauf hin der Standesbeamte erleichtert aufseufzte. Er hat dann den Wikipediaeintrag mit den Ereignissen dieses bedeutenden Tages verlesen!

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  2. Herzlichen Glückwunsch zur „Baumwollenen Hochzeit“.
    Da jedes erfolgreich überstandene Jahr ja seinen eigenen Namen hat, hier die Definition zum Zweijährigen, gefunden in den Weiten des Netzes:

    2 Jahre ein Paar,
    man feiert die – „Baumwollene Hochzeit“ .

    Nach zwei Jahren Ehe, hat sich der Ehebund schon ein wenig gefestigt, man hatte die Chance sich in dieser Zeit (in sehr vielen neuen gemeinsamen Situationen) zu erfahren und sich mal anders kennen zu lernen. Noch gehören diese zwei Ehejahre zur Anfangszeit, sie werde auch verglichen mit dem Baumwollstoff ( daher der Name) der zwar nicht mehr so anfällig und empfindlich wie Papier gegen viele Widrigkeiten des Lebens ist, aber dennoch ein Stoff, der bei unsachgemäßem Gebrauch auch einer derjenigen ist, welcher schneller reißt als andere.

    LG,
    Viola

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  3. Ein ganz reizendes Hochzeitsbild und eine fabelhafte Sichtweise auf die Ehe.

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  4. genau so soll ehe sein – er ein bisschen blind und sie das zepter inner hand:))

    im ernst. ein wunderbares bild von euch beiden!

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