Trinkpäckchen

Zu Dr. Schmotzens unzähligen Spezialfähigkeiten gehört seit kurzem auch das Trinken durch einen Strohhalm. Das hat ihr Opa beigebracht, das hat sie drauf. Das ist Teil seines Trainingslagers, die Vorstufe zum Schnorcheln. Schnorcheln brauchst Du, wenn Du bei ihm schwimmen lernen möchtest. Er nimmt Dir auch inhouse die Seepferdchenprüfung ab.
Jedenfalls hole ich Dr. Schmotzen heute nach der Arbeit von Oma und Opa ab und sehe, neben ihrem Teller, dort wo sonst das Glas steht, da liegt ein Trinkpäckchen. Ein Trinkpäckchen!
Kannst Du Dir vorstellen, wie oft ich als Kind meine ökologische Bio-Mutter gefragt habe, ob ich ein Trinkpäckchen mit zur Schule nehmen darf? Ob ich wenigstens auf Klassenfahrt diese einwegverpackten Säfte haben könnte? Wenigstens für die Busfahrt? Wenigstens für die erste Rast? Und weißt Du, wie oft sie mich dann den Lebenszyklus von Kunststoff gelehrt hat, der niemals endet, der einfach nicht stirbt, so, dass in absehbarer Zeit die Wälder voller Plastik wären und die Meere voller Tragetaschen vom Obst- und Gemüsestand. Die haben wir nämlich auch nie genommen. Stattdessen immer verachtend die anderen beobachtet, wie sie für jede Obstsorte, für einzelne Äpfel mitunter eigene Tüten von der Rolle rissen. Unser Einkauf kullerte an der Kasse munter über das Fließband. Pilze vereinigten sich mit Tomaten, Erbeeren tanzten mit Radieschen. Die Kassiererin sortierte emsig und die anderen beobachteten uns verachtend. Das hat mich hart gemacht.
Und bei der Rast, im Bus, auf Klassenfahrt und in allen großen und kleinen Pausen meines Schullebens habe ich aus der gleichen Glasflasche in gefüttertem Stoffbeutel nach Spülmittel schmeckendes, kohlensäurearmes Wasser getrunken. Und ich wollte mich an Dr. Schmotzen und ihren Brüdern und Schwestern dafür rächen. Wie soll ich das machen, wenn sie Trinkpäckchen bekommen, noch bevor sie den eigenen Bedarf daran entdecken?
Weißt Du, wie sich meine Mutter eben verteidigte, als ich sie darauf ansprach? Sie meinte, sie hätte den bösen Saft vorher natürlich ausgeschüttet und frischgepressten reingefüllt.

9 Replies to “Trinkpäckchen”

  1. http://www.emil-die-flasche.de/kollektionen/

    Daran kann ich mich sehr gut erinnern. Traumatisch.

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  2. oh mann, ich hasse trinkpäckchen, und du farina hasst auch trinkpäckchen und das ist auch gut so. es war heute das erste und einzige.
    und teresa: danke, schöner link. dr. schmotzens ostergeschenk ist gesichert.

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  3. Haha! „Trinkerle“ heißen die bei uns, wurden als besonders evil eingestuft. Ich war auf dem Schulhof die die erste und einzige mit einer Aluflasche. Die war damals auch extrem uncool (und auch ohne Motive oder so, einfach alu-grau) und zu trinken gabs daraus: Hagebuttentee… (Aluflaschen eignen sich im Zweifelsfall allerdings zur Selbstverteidigung!)

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  4. @Teresa: stimmt, der Emil wars. Meiner Anfang der Neunziger hatte ein psychedelisches Aquarellmuster.

    @luise maria: in der tat, ich hasse Trinkpäckchen genau wie Du. Lass uns dafür sorgen, dass Dr. Schmotzen sie auch eines Tages hasst.

    @ Nike: fieses Ding! Dafür sind wir von Wäldern und Meeren gemocht.

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  5. Also ich hatte auch einen Emil vom Typ psychedelisches Aquarellmuster, aber ich fand den immer superpraktisch! Meine Mama hat da jeden Morgen leckeren Saft reingefüllt und ich habe mich damit den anderen Kindern gegenüber, die von zu Hause bloß ein paar Groschen für die in der Schule verkaufte Pausenmilch mitbekommen hatten, immer überlegen gefühlt. Aber jetzt wo ich hier lese, dass diese Dinger extrem uncool waren, muss ich wohl ganze Teile meiner Kindheit neu überdenken…

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  6. Absender unbekannt verzogen 3. April 2011 at 13:32

    Auch ich oute mich als stolze Besitzerin einer solchen Metallflasche, allerdings ohne passenden Schlafsack…
    Ach Flo, geschadet hat es uns doch allen nicht, oder?

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  7. @ Flo: vielleicht, waren wir nicht so weit vorn wie die Vanillemilch-Kinder dafür haben wir jetzt die besseren Zähne.

    @ Auv: Tatsächlich, Du auch? Wir hätten uns damals finden und militarisieren sollen. Apartheid auf dem Pausenhof.

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  8. Absender unbekannt verzogen 3. April 2011 at 18:43

    Natürlich, neurodermitisfreundliche Getränke aus Aluflaschen, Lichterketten gegen Menschenrechtsverletzungen und Demos gegen Atomkraft….

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  9. Absender unbekannt verzogen 3. April 2011 at 18:50

    Ach, zu meiner Verteidigung: heute gibt es bei uns den späten Tatort um 21.45…

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