Sie und ich, die Bahn und der Zug

In den ersten sechs Monaten unserer gemeinsamen Pendelei, war sie immer eher still und beobachtend in der Bahn und im Zug. Seit ein paar Wochen fühlt sie sich dort richtig wohl. Ich glaube, sie hat diesen Teil des öffentlichen Raumes als ihr Privatzimmer mit anderen Menschen drin eingeordnet. Viele von ihnen kennt sie mittlerweile. Immer dieselben, die morgens mit uns auf den letzten Drücker in die Bahn springen, immer dieselben, die auf dem Weg in die andere Stadt bei uns im Fahrradabteil sitzen. Immer dieselbe Routine aus Geruckel, Deckel runterschrauben von der Flasche, Wasser trinken, Deckel wieder draufdrömeln, dabei hakts, neu ansetzen, rein in den Tunnel, Haltewunschtaste drücken, Fahrstuhl fahren, an den orthodoxen Christenmenschen mit ihren Plakaten vorbei, Fahrstuhl fahren, Kaffee trinken, Buch vorlesen, Tauben füttern, manchmal Glück haben und mit einem Freund weiterreisen, ICE aus Berlin anschauen, Geräusche nachmachen, rein in den Zug, kurzes Handgemenge um einen Sitzplatz, gewinnen oder verlieren, bei Erfolg aus dem Buggy aussteigen, Monatskarte zeigen, dabei je nach Gemüt des Schaffners Spielfahrkarte ergattern, Buch vorlesen, Deckel runterschrauben von der Flasche, Wasser trinken, Deckel wieder draufdrömeln, dabei hakts, neu ansetzen, rein in den Buggy, aussteigen, Fahrstuhl fahren, durch den langen Tunnel laufen, den Mond im Blick behalten, vom vielleicht mitgereisten Freund verabschieden bis er nicht mehr zu sehen ist, an der Ampel warten und schauen, ob schon jemand vor der Kita steht, rein in die Kita, Lage checken, spielen, spielen, spielen. Und mittags denselben Weg wieder zurück.

Nicht mehr lang, dann sind die zwei Stunden Hin- und Hergondelei am Tag vorbei. Dann reichen ein paar Schritte aus der Haustür, um in der Kita zu sein. Da freue ich mich für sie, dass sie sich so lange Anfahrten sparen kann. Und ich freue mich für mich, dass ich Zeit allein habe. Vorsorglich habe ich in einem günstigen Moment schon mal Monsieur LeGimpsis alte Kopfhörer in meinen Besitz gebracht. Aber vermissen werde ich sie schon. Langweilig ist mir nie mit ihr. Sie ist eine außergewöhnlich gute Reisegefährtin, würde ich sagen.

One Reply to “Sie und ich, die Bahn und der Zug”

  1. […] Sie und ich, die Bahn und der Zug – Beim Lesen dran gedacht, das ich die Fahrten mit M schon gelegentlich vermisse. Es ist toll, in der Bahn Paul-Kram machen zu können, aber es wäre auch toll, mal wieder Zeit mit M allein zu haben: Ihm vorzulesen, mit ihm Quatsch zu machen, mit ihm zu erzählen… […]

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