Seite 124

Ich lese sehr langsam. Das weiß ich, weil Monsieur LeGimpsi immer schon ein neues Buch kauft, wenn ich bei meinem erst auf Seite 124 bin. Oder wir lesen zusammen einen Zeitungsartikel im Bett und Monsieur LeGimpsi blättert schon weiter und ich stecke noch im ersten Absatz. Wenn ich einen Zeitungsartikel lese, muss ich währenddessen häufig den Namen des Journalisten kontrollieren. Oft sehe ich Unterschiede zwischen männlicher und weiblicher Schreibweise. Das finde ich soziologisch interessant. Bei Büchern lese ich einzelne Abschnitte mehrmals. Weil sie wahr sind. Weil sie komplex sind. Weil so gute Worte sie beschreiben, dass ich nie wieder etwas anderes zu lesen brauche. Manchmal muss ich vorblättern, um Dinge auf der Stelle zu erfahren. Ich finde das nicht problematisch. Ich mag die Idee des mündigen Lesers. Es gibt literarische Verfahren, die vorausdeuten. Wenn der Autor sowas macht, darf ich das auch. Monsieur LeGimspi hält sich strikt an den Spannungsbogen. Er mag keine Vorschau. Wenn wir eine DVD ausleihen, verbietet er mir, das Cover anzuschauen. Es könnte wichtige Informationen zur Handlung enthalten. Das würde meinen naiven Blick enttrüben. Monsieur LeGimpsi gibt sich hin. Das finde ich in mancher Hinsicht großartig. Ich hätte nicht übel Lust, eine Geisterbahn für ihn zu bauen. Eine langsame.

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  1. […] der Pipeline und wird jungfräulich, ohne spoilerverschmutztes Vorwissen empfangen. So will es der Programmbauftrage für Filmkunst und daran habe ich mich gewöhnt. Daher habe ich die promo auch keines Blickes gewürdigt und kann […]

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