Von stillen Mächten

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Heute haben wir jemanden beerdigt, der zu meiner Großelterngeneration gehört. Auch wenn sie nicht meine Großmutter war, sondern die Lebensgefährtin meines Opas, hat sich mit ihrem Tod das letzte Mitglied dieses Kreises verabschiedet. In den letzten fünf Jahren sind all meine Großeltern gestorben und mit ihnen mein persönlicher, verwandter Zugang zu dieser Generation. Ich habe jetzt quasi keinen direkten Austausch mit Leuten über achtzig mehr, stelle ich fest. Die gibts in meinem Alltag nicht. Eigentlich liegt die Altersgrenze meiner Bezugsgruppe bei sechzig. Die sechzigjährige Landbevölkerung ist pillepalle, was hat die schon erlebt, was kann die schon erzählen?
Auch mein Vater lebt nicht mehr. Ich war eigentlich noch nie neidisch auf anderer Leute Väter. In meinem Alter ist es normal, dass die eigenen Eltern noch leben. Fast jeder hat also einen Vater und der taucht in den Gesprächen öfter mal auf. Das macht mir nix, ich kann ja schlecht auf fast alle Gleichaltrigen neidisch sein, da bekommt man direkt graue Zähne.
Aber bei der Tatsache, dass viele von ihnen zusätzlich noch Großeltern haben, wenn auch selten paarweise, eher so vereinzelt mal ne verwitwete Oma hier oder nen alleinstehenden Opa dort, werd ich wirklich neidisch. Dass die mit diesen aus der Zeit gefallenen Leuten an einem Tisch sitzen können und ihre eigene Sprache mit ihnen haben und ihre eigenen Geschichten mit ihnen erzählen, dass sie in großelterlicher Liebe angeschaut werden und nicht nur den Kinderstatus bei ihren Eltern, sondern dazu noch den Enkelkindstatus besitzen, das zieht mir manchmal wirklich den Stecker. Im Laufe eines Lebens kommen diese Möglichkeiten abhanden und sie kehren nicht wieder zurück. Wie schade.

2 Replies to “Von stillen Mächten”

  1. Das ist wirklich sehr schade und auch traurig.
    Es stimmt schon das man zu seinen Großeltern einen ganz anderen Bezug hat als zu seinen Eltern. Eine Großmutter habe ich noch. Aber die weis manchmal nicht genau, ob ich ihr Enkelin bin, oder ihre Tochter. Das ist auch immer ein bisschen komisch.
    Aber auch wenn sie irgendwann alle gehen, so bleiben uns doch die Erinnerung. Ich erinnere mich immer gerne an die andere Oma, die schon sehr früh gestorben ist. Als ich noch klein war durfte ich oft bei ihr schlafen. In einem riesigen Bett unter einer noch riesigeren Daunendecke. Das war immer toll und es ist schön dadran zurückzudenken. Sowas bleibt und solche Erinnerungen sollte ich eigentlich mal Aufschreiben.

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  2. das kann ich gut nachfühlen. aber mehr als „wie schade“ lässt sich wirklich nicht zu sagen.

    »Ich schaute in die Sterne mit ihrer unbegreiflichen Unendlichkeit,
    und ich war irgendwie erschrocken. Ich war gerührt und erschrocken gleichzeitig.
    Ich dachte über die Insekten nach, die jetzt fast sichtbar wurden auf ihrer kleinen,
    flimmernden Galaxie, und dann drehte ich mich zu Tschick, und er guckte mich an
    und guckte mir in die Augen und sagte, dass das alles ein Wahnsinn wäre,
    und das stimmte auch. Es war wirklich ein Wahnsinn.«

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