Wir spielen: Im Wandel der Zeiten – Bronzezeit
Eine der wärmsten und klarsten Erinnerungen an meinen Vater ist, wie er jeden Tag am Esstisch saß und gekniffelt hat. Kniffel war voll sein Ding. Das hat er ständig gemacht, meistens eine ganze Blockseite voll. Manchmal hat er uns am Ende seine Doppelpaschs gezeigt. Manchmal hat er mit uns gekniffelt. Manchmal um ein Fischbrötchen. Er konnte die Würfelwerte ratzfatz addieren, das war eigentlich eine einzige Handbewegung, würfeln, Wurf analysieren, einige Würfel einsammeln, neu würfeln. Und irgendwo dazwischen zusammenzählen. Die allerallermeiste Zeit spielte er allein für sich. Wo ist Papa? Der kniffelt. Im Nachhinein mag ich ihn sehr dafür.
Wenn ich mit Monsieur LeGimpsi Im Wandel der Zeiten – Bronzezeit* spiele, denke ich ein bisschen an Kniffel. Im Wandel der Zeiten – Bronzezeit ist so ähnlich, nur komplexer.
Im Grunde würfelt man und kann dann entscheiden, was man mit dem Ergebnis anfangen will. Je nach Strategie lässt man einen Teil der Würfel dann liegen und versucht sein Glück mit dem Rest. Bis zu drei mal darf man pro Zug würfeln. Zum Beispiel sammelt man ganz viel Getreide und versorgt damit seine Städte. Oder man sammelt Männchen und baut damit Städte oder Monumente. Oder man sammelt Blumenvasen oder Pfennige und kann dann Errungenschaften kaufen.
Es ist also ein Spiel, bei dem jeder so vor sich hin spielt und sobald einer ein gewisses Ereignis erreicht hat, zum Beispiel fünf Errungenschaften errungen, ists für alle vorbei und dann wird ausgewertet und wer die meisten Punkte hat, gewinnt.
Um die meisten Punkte zu bekommen, kann man unterschiedliche Strategien anwenden. Man kann Punkte erreichen, indem man Städte baut, indem man Monumente errichtet oder indem man in Errungenschaften investiert. Es werden einem Punkte abgezogen, wenn man bestimmte Vorgaben missachtet, zum Beispiel, wenn man seine Städte nicht hegt und pflegt, weil man zu wenig Getreide sammelt. Oder wenn man Pech hat und eine gewisse Anzahl an Todesgerippen erwischt.
Monsieur LeGimpsi hat oft eine sanktionsindifferente Aggressorenstrategie, bei der er zwangsläufig und zurecht viele Strafpunkte erhält, weil er total übersteuert auf Wachstum aus ist. Das ist wirklich ein übles Heuschreckenverhalten, völlig unethisch. Der sammelt dann ganze Armeen von Männchen und gibt denen kein Getreide. Was soll sowas, frag ich mich.
Ich spiele da eher gemäßigt. Ich bin total sicherheitsorientiert und lebe ständig in Angst, Strafpunkte zu bekommen und investiere darum immer zuerst in Schutzpolicen und Versicherungen und natürlich in Getreide. Vernünftig!
Dazwischen gibt es noch viele weitere Möglichkeiten, das Spiel planvoll zu bestreiten.
Ich mag an dem Spiel, dass es so dynamisch und exponentiell wachsend ist. Wenn man die Anfangsphase hinter sich gelassen hat, nimmt es Geschwindigkeit auf, es kommen von Stadt zu Stadt immer mehr Würfel hinzu, die dann den Punktewert ansteigen lassen, sodass man ständig neue Möglichkeiten hat und irgendwann völlig im Kaufrausch ist. Aber dann ist das Spiel gottseidank auch schon vorbei.
Ich mag auch, dass es zwar ein Glücks- weil Würfelspiel ist, aber trotzdem auch strategische Elemente gewinnbestimmend sind. So Masel und Köpfchen gleichermaßen.
Monsieur LeGimpsi und ich haben uns mal eine halbe Nacht über die Sinnhaftigkeit der Illustrationen auf dem beigelegten Steckbrett (auf dem wird zu Protokollzwecken der Gegenwert der Blumenvasen und Pfennige abgebildet), gestritten. Ich finde, die sind überflüssig und irritieren darum Neulinge. Mich haben sie anfangs jedenfalls irritiert. Monsieur LeGimpsi fand, das sei pillepalle und Anstellerei und Befindlichkeit und Jammern auf hohem Niveau und dass er das jetzt nicht weiter diskutiere. Da war er sehr bestimmt, aber er hatte diesen völlig unsozialen, menschenverachtenden Turbokapitalistenblick vom Spielen auch noch nicht abgelegt.
Außerdem mag ich die Würfel. Die sind schön aus Holz und mit Prägedruck.
Ich finde, dieses Spiel ist kurzweilig. Kniffel eben.
Kategorien: Glücksspiel, Würfelspiel, Strategiespiel, Materialliebe, schneller-höher-weiter
Dauer: schon vorbei?
Frustrationstoleranz erforderlich: ja
Anzahl der Spieler: egal
Was machen Kinder solange: Würfelservice (dürfen zwischendurch mal das Würfeln übernehmen)
* Im Wandel der Zeiten – Bronzezeit ist die Würfelspiel-Adaption des Brettspiels Im Wandel der Zeiten. Das kenn ich aber nicht, dazu sag ich nix.
Das kenn ich! 🙂
Hab aber erst eine Partie gespielt. Ich finde die Grundidee ganz grandios. Ein klassisches Würfelspiel mit Aufbaustrategie und einem Setting. Wirklich schön.
Noch schöner allerdings: Deine Rezensionen. Ganz ganz tolle Texte! Ich bin ganz begeistert.
Danke, lieber ben_! Immer eine besondere Freude, wenn du in meine Pflichtfelder reintippst.
Spiel dieses Würfelspiel ruhig öfter. Das geht gut mal zwischendurch, wenn Giraffenkinder dösen. Ich würds durchaus auch allein spielen, aber das ist vielleicht genetisch bedingt.