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Seit gestern bin ich dreißig.
Eigentlich bin ich schon seit Dr. Schmotzens Geburt dreißig, da war ich nämlich Mitte zwanzig und passte mit einem Mal überhaupt nicht mehr in dieses Jahrzehnt. Das lag am plötzlichen Klotz Verantwortung und am Wegfall von einigen Wahlmöglichkeiten, die die Leute in meinem Alter um mich herum so haben. Ich bin also eigentlich schon seit sechs Jahren dreißig. Gestern hab ich diesen Zustand dann mal gefeiert.

Um viertel vor sieben bekam ich auf der Toilette von Mann und Kind ein Lied gesungen und gepogt haben sie auch. Leider musste Monsieur LeGimpsi dann wie gewöhnlich ins Büro und Dr. Schmotzen marschierte in den Kindergarten. Da hab ich also erstmal in aller Stille gefrühstückt und mich gefragt, ob ich jetzt einfach so tun soll, als ob nichts wäre oder mir ein Partykleid anziehe und ein Konzert höre. Hab mich für letzteres entschieden, ein Partykleid angezogen und The Cat Empire aufgelegt.

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Dann bin ich mit der anderen vor dreißig Jahren Beteiligten durch den Wald spaziert und wir haben zum zwölfhundertsten Mal festgestellt, dass wir Mutter und Tochter sind. Wir sind durch sumpfige Wiesen und über zugewachsene Wege gelaufen und sie hat mich da durchgeführt, als lebte sie in Wäldern. Was ja im Prinzip auch stimmt.
Und zurück bei ihr zu Hause ging dann irgendwann die Tür auf und alle standen plötzlich im Raum! Wie schön das war! Und meine Schwester nahm ein Tuch und wickelte es mir um den Kopf bis ich nichts mehr sah und wir alle fuhren davon.
Das ist mal das allerschlimmste Gefühl, mit verbundenen Augen Auto zu fahren. Da kommt der Gleichgewichtssinn nicht hinterher. Der beschwert sich bei jeder Kurve und jedem Tempowechsel. Ich weiß nicht, ob das an mir persönlich liegt, mir wird ja schon im Kinderkarussell so schlecht, dass der Tag für mich gelaufen ist. Jedenfalls habe ich jetzt nicht mehr nur Angst, dass mich jemand bei einer Entführung in den Kofferraum einer Limousine steckt, sondern mich auf der Rückbank fahren lässt und mir die Augen verbindet oder nen Pappkarton auf den Kopf setzt. Ohne visuelle Orientierung während der Fahrt geht gar nicht.

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Jedenfalls sind sie mit mir dann irgendwann ausgestiegen und dann haben wir Minigolf gespielt. Und das war eine sehr lustige Sache, weil erstens wir als Kinder mit unseren Eltern schon an diesem Ort Minigolf spielten und der eine, der vor drei Jahren abhanden kam, plötzlich auch irgendwie anwesend war. Zweitens weil ich bestimmt seit fünfzehn Jahren nicht mehr diese heitere, gemütliche Form des Geschicklichkeitsspiels betrieben hatte. Und so lag eine sehr fröhliche, unironische Wolke über den Minigolfbahnen und wir haben wirklich versucht, unter sieben Schlägen pro Loch zu bleiben. Und ich glaube, ich hätte auch tatsächlich gewonnen, wenn mein Bruder nicht plötzlich den Ehrgeiz entwickelt hätte, mich minigolfmäßig zu vernichten.

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Ich wurde sehr schön beschenkt. Eine Geburtstagskette habe ich bekommen. Die darf ich immer nur am Geburtstag tragen und nicht unter der Dusche. Einen Biokistengutschein habe ich bekommen, Freunde berichten sehr glücklich darüber, so eine Gemüsekiste fand ich schon lange gut. Dass wir nun bald regelmäßig eine angeliefert bekommen, freut mich sehr. Einen Miniaturstuhl habe ich bekommen. Ich hätte nämlich wählen können, zwischen diesem Stuhl in groß und nicht aus Pappmaché und der Biokiste. Habe mich für die Vitamine entschieden. Solange die Möglichkeit besteht, dass hier zukünftig noch ein, zwei weitere Menschenkinder dazustoßen, sitze ich lieber auf alten, verlebten Holzstühlen und ärgere mich nicht über jede neue Macke und einmassierte Tomatensoße. Staffeln zwei und drei habe ich bekommen. Ich freue mich wie verrückt darauf, endlich mal wieder eine Serie mit Monsieur LeGimpsi zu schauen. Jetzt müssen wir erst noch die Bücher zu Ende lesen und das kann dauern, aber winter is coming. Das wird gemütlich! Und gruselig. Gute Wünsche und nette Worte habe ich bekommen.

Dreißig bin ich jetzt also. Eigentlich hab ich schon viel geschafft bislang, find ich. Monsieur LeGimpsi gefunden und bis in alle Ewigkeit behalten. Kind gemacht und bis zum jetzt beginnenden letzten Kindergartenjahr begleitet. Job bekommen, bei dem es nicht langweilig wird.
Und da ist noch ganz viel ungenutzter Raum, der bereitsteht und wartet, bis wir ihn füllen. Da gibts noch viel Weißfläche, viele Baustellen, viele Wünsche und noch viel zu vergebene Liebe.

 

 

 

4 Replies to “30”

  1. so ein schöner tag gestern. schade, dass monsieur nicht dabei sein konnte.

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    1. ja, da hast du recht. aber laut dr. schmotzen folgt nach der dreißig die vierzig. der geburtstag ist nächstes jahr also wieder rund und zudem ein samstag, da ist er dann dabei.

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  2. Wow. So schön. Ich habe es natürlich erst jetzt gelesen, und nun ist es also recht spät zum Geburtstags-Wünschen. Trotzdem: Alles Gute! Und toll, das da noch viel ungenutzter Raum ist.

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  3. […] gebraucht, sie strahlt auf uns alle ab. > dreißig werden: Vollkommen schmerzfreie Angelegenheit. Ich hatte einen ziemlich tollen Tag und kann jedem nur empfehlen, so häufig und aus vollem Herzen dreißig zu werden, wie möglich. > […]

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