laufen

Hui, was ist denn hier los? Nix ist los. Dabei passiert grad wieder so viel im Hintergrund. Der Mann hat einen neuen Job. Der arbeitet jetzt in der gleichen Kompanie wie ich. So richtige Kollegen sind wir aber nicht. Wären wir im Zeiterfassungsprogramm nicht direkt hintereinander gelistet und spränge mir das nicht täglich ins Auge, es fiele mir gar nicht weiter auf. Naja, er sitzt jetzt halt morgens auf dem Weg ins Büro neben mir im Auto, das ist neu. Aber da wird eh nicht gesprochen, also zählt es offensichtlich nicht.

Heute war ich joggen und habe gemerkt, dass ich ohne Brille und sonstige Sehhilfe völlig blind geworden bin. Es war ja irgendwie Vatertag und entsprechend viele ältere Herren fuhren ihr einziges Mal im Jahr Fahrrad. Die kamen mir als diffuse Herde in rotblauen Regenjacken entgegen, so ganz gemächlich schaukelten die übers Land. Ohne Brille waren die aber bis auf zehn Meter nur ein matschiger Fleck für mich, von dem ich nicht wusste, ob er freundlich oder feindlich gesinnt war.

Das Laufen heute hat mich überzeugt. Zwischen 2004 und 2007 lief ich ja quasi täglich. Das war schon leicht zwangsgestörtes Verhalten und am Ende nicht mehr besonders gut fürs Oberstübchen. Dann traf ich Monsieur LeGimpsi, der mich zunächst ja nicht sonderlich befürwortet hat, was mich dermaßen aufregte, dass ich laufmäßig in eine manische Phase geriet und mitunter mehrfach täglich durch Wälder, auf Asphalt, über Bäche und Autobahnbrücken lief. Dann befürwortete er mich endlich doch und damit schloss mein läuferisches Kapitel langsam und ich ließ es gern zu.
Laufen nimmt ja auch irgendwie viel Zeit in Anspruch, die sparte ich jetzt und investierte sie in küssen. Noch einmal lief ich, als Dr. Schmotzen frisch in meinem Bauch war, so in der sechsten Woche. Das ging überhaupt nicht und so blieben meine Laufschuhe für längere Zeit unberührt.

Seit das Kind auf der Welt ist, also seit 2008, laufe ich so gut wie nie. Ich habe natürlich weniger Gelegenheit dazu und an richtiger Lust mangelt es auch. Manchmal denke ich: Ach könnteste eigentlich wieder mit dem Laufen anfangen, so immer am Wochenende und dann noch mittwochs. Aber dann fällt mir ein, dass ja gerade diese Regelmäßigkeit unerwünscht ist und ich mein Hirn nicht an den Gedanken gewöhnen möchte, dass Laufen zu meinem Alltag gehört, damit sich keine Erwartungshaltung bilden kann, die bei Enttäuschung irgendwie schlechte Stimmung verbreitet und sich zu einer Verpflichtung entwickelt, die ich nicht mehr loswerde. Ach, die Neurosen.

Naja, heute jedenfalls wars gut. Mit so richtiger Laufluft, ganz klar nach nem langen Regen. Laufschuhe an, die ersten Meter gehen und dann langsam lostraben und merken, wie sich alles in Sekundenschnelle findet. So ein Körper ist schon echt eine alte Maschine: Der war sofort wieder drin im Laufen. Gleicher Rhythmus, gleiche Atmung, gleiches Gefühl, alles abgespeichert. Dazu ein Gespräch über die Kartoffel gehört (warme Kartoffeln sind Schwämme und beim Kartoffelkochen immer den Deckel druff), jede Steigung mitgenommen und am Ende ausdampfen auf der Terrasse. Völlig zufrieden und ohne Fragen, auch das ist gespeichert.

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