Am Freitag
Heute ist Freitag, Freitag ist mein freier Tag. Ich brachte Dr. Schmotzen in den Kindergarten. Vorher haben wir getrödelt. Ich habe ihr nicht ein Mal gesagt, dass sie sich beeilen soll, weil wir es eilig haben, wie ich es Montag bis Donnerstag zwischen sieben und zwanzig nach sieben tue. Wir zogen uns total langsam an und sind dann weit unter erlaubter Höchstgeschwindigkeit zum Kindergarten gegondelt. Die Tür war schon verschlossen. Wir mussten klingeln, alle anderen Kinder hatten das Frühstück hinter sich, Dr. Schmotzen setzte sich zum Erzieher und seiner Kaffeetasse an den Tisch und packte das Freitagscroissant aus. Es besteht aus Vollkörnern und hat schon mir als Kind geschmeckt. Ein Freund von uns sagte, ein Croissant hat den Nährwert von zehn Brötchen. Das Kind speiste in seinem Beisein einmal drei Croissants. Auf sie zeigend, wie auf die Dame mit Bart: »Die hat grad dreißig Brötchen gegessen!« Jedes Mal, wenn ich daran denke, muss ich lachen. Die Vorstellung, dass eine Zweijährige dreißig Brötchen isst, löst große Heiterkeit aus.
Ich fuhr in die Stadt und setzte mich in ein Café. Ich kenne ein Café, in dem frühstücke ich allein, ohne dass ich mich wie ein einsamer Mensch auf einem Kreuzfahrtschiff fühle. Ich bin sehr gern allein, nur eben nicht in der Öffentlichkeit, außer halt in diesem Café. Wenn ich dort vor den großen Fenstern sitze und noch nicht bestellt habe, also alles Leckere noch vor mir liegt, fühlt es sich an, als würde ich mich von meinem ganzen inneren Verwaltungsapparat erholen und vom Rest.
Irgendwann reichts und ich stehe auf und gehe durch die Stadt. Ich kaufe Blumen auf dem Markt und einen Holzring, denn ich gehe bald auf ein Fest, das nach speziellem Kleidungsstil verlangt. Genau darum habe ich auch das Freundschaftsbandknotgewerbe wieder aufgenommen. Das lag brach, seit ich zwölf war. Dr. Schmotzen ist Großkunde und freut sich über ein Überangebot an Verknüpfungen. Alle ihre Gliedmaßen sind nun wolleumhüllt.
Damals importierte eine Freundin die Technik aus einem Ferienlager an der Ostsee, von dem ich nach zwei Tagen abgeholt wurde. Hätte ich länger durchgehalten, ich hätte nach ihrer Rückkehr nicht mit meiner Schultstulle das Geheimnis der Knotenkunst erkaufen müssen.
Ganz genau! Freundschaftbändchenknüpfen scheint eine Fähigkeit zu sein, die nur in Ferienlagern wirkich weitergegeben wird. Faszinieren, dass diese ja höchst temporären, flüchtigen Orte doch eine solche Stabilität haben. Sowohl über die Zeit hinweg als auch über die unterschiedlichen Instanzen von Ferienlagern.
Ja! Und vom Hirn scheint es als elementar wichtige Technik eingestuft, gespeichert und zeitlebens abrufbar zu sein. Ich produziere die Dinger gerade, als hätte ich die letzten zehn Jahre nichts anderes getan. Ob das bei anderen Kindheitsphänomenen auch so ist? Weben, töpfern, Elchen schreiben?
Welch wunderbares Bild, dass man an der Café-Eingangstür sein müdes Ego abstellt, links neben dem Türrahmen, in den Regenschirmhalter. Keinem was zu müssen, keine sozialen Schulden zu haben. Wunderbar.