Erster sein, dableiben

Es gibt Menschen, bei denen leuchtet mir sofort ein, dass die Molekülanordnung ihrer eigenen spermatischen Urknallkeimzelle im Wettrennen um Alles oder Nichts Alles bekommen hat und sich damals kurz vorm Verschmelzungsmoment gegen ihre Millionen Bruder- und Schwesterspermien durchgesetzt und es bis in die Eizelle geschafft hat.
Die sind so stark und selbstverständlich vorne dabei und lachen auf eine gesunde Weise am lautesten über ihre eigenen Witze und sind innen und außen robust. Da ist mir irgendwie klar, ihr samenzellulärer Anteil damals als es drauf ankam, muss ein Gewinnertyp gewesen sein.
Ich zum Beispiel verstehe einfach nicht, dass das Spermium, aus dem ich geworden bin, als erstes am Ei war und dann auch noch entschlossen genug, sich da reinzubohren. Ich bin vergrübelt, durchsetzungsschwach, gemütlich bis zuweilen antriebslos. Würde mir jemand zwei Stunden mehr Zeit pro Tag schenken, ich würde sie gegen Schlaf eintauschen. Vor jedem Volleyballtraining überlege ich, ob ich aus dem Sportverein austreten soll, wegen der ganzen körperlichen Anstrengung. Irgendwie verkorkst also. Was müssen meine Konkurrenzkeimzellen für phlegmatische Zeitgenossen gewesen sein, dass sie nicht mal mich überholt haben.
Es ist Samstagmorgen, halb sieben. Auf dem Spargelfeld feiert einer eine laute Party mit Schützenfestmusik. Wir haben Monsieur LeGimpsi schon früh zum Flughafen gefahren. Er ist jetzt bei jemandem, der damals mit zwölf Zentimetern Vorsprung an der Eizelle war und der in nächster Zeit diese ganze natürliche Stärke und Standfestigkeit, die ihm gehört, brauchen wird. Dr. Schmotzen und ich backen einen Kuchen, reden über Musik und später machen wir eine Mittagspause.

2 Replies to “Erster sein, dableiben”

  1. Ich kann sagen, von hier aus betrachtet hat man schon sehr deutlich den Eindruck, dass Du mit reichlich Recht die Erste warst. Insbesondere wenn man vor Dir steht. Und ich hatte bisher auch nicht den Eindruck, dass es Dir an Fröhligkeit, Stärke und Lachkraft mangelt.

    Aber es ist ja genau das das Schöne daran: Wir alle sind vergrübelt, melancholisch, unentschlossen und bis weilen antriebslos. Frag mich jetzt nicht, wer genau „wir“ sind, so genau weiß ich das auch nicht. Aber wir sind schon ein ganzer Haufen. Und ich würde es nicht anders haben wollen. Ich war mein Leben lang von solchen Menschen umgeben und ich bin glücklich, dass ich immer noch neue von der Sorte finde.

    Alles gut!

    Antworten

    1. Oh, vielen Dank für die optimistische Personenbeschreibung, lieber ben_. Fröhliche Phlegmatie also, könnte schlimmer sein, alles gut, haste recht.
      Blättere gerade immer mal wieder im Buch „Still“ von Susan Cain und fühle mich gut verstanden. Kann die ganzen Frontmenschen seither viel entspannter ihre Selbstvermarktung und Small Talks betreiben lassen und habe nicht mehr das Gefühl, mir fehlt hier ein Gen.

      Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.