Paula

Einschlafen dürfen, wenn man müde ist,
Und eine Last fallen lassen dürfen,
Die man lange getragen hat,
Das ist eine köstliche,
Eine wunderbare Sache.

 

Da hat der alte Hesse schon recht, nicht? Du warst doch müde? Du hast doch getragen und geschlagen und befeuert nur noch um des Tragens, Schlagens und Befeuerns willen, oder? Eine Riesenmaschine ohne Schaltzentrum. War da noch mehr als das, war da noch Deins? Vielleicht Du?

Ich sitze, wo Du gegessen hast. Koche, wo Du gekocht hast. Ich wasche mich, wo Du Dich gewaschen hast. Mein schlafender Kopf liegt in Deinem Wandschrank, dort, wo das Porzellanpferd stand. Wo Dein Kreuz hing, ist jetzt pink. Meine Bilder über Deinen. Neben der Tasse liegt meine Hand ganz ruhig. Deine Finger klopfen in meinem Kopf nacheinander gegen den Becher. TACKTACKTACKTACKTACKTACKTACKTACKtackTACK. Eine Vierjährige spielt mit zu großen Schuhen, die stehen im Flur an der Wand, das ist geblieben. Meine Nähmaschine frisst Strom, Deine Beinkraft. Manchmal besuchen uns Spinnen, alte graue Gesellen, sie kommen nicht länger davon.

Hast Du hier mal gelebt? War hier Deine Dunkelheit? Hast Du Dich vergraben? Hast Du bestraft und gesühnt zur gleichen Zeit, hier? Hast Du die Uhr angehalten und Dich vereinsamt? Hast Du erpresst und aufgegeben?
Ich behalte Dich nicht so in Erinnerung.
Ich lasse Dich lachen und mit hoher Stimme singen und vorlesen und ich lasse Dich kümmern und mit stillem Stolz Autofahren. Ich lass uns mummeln und im Bett liegen und Du erzählst von früher, dann lass ich Dich beim Wer-zuerst-einschläft-gibt-Bescheid-und-gewinnt vor. Auf mich aufpassen lasse ich Dich und Hallo Ü-Wagen hören und Kreuzworträtsel machen und Styroporkugeln sinnlos mit Stoffbändern beschmücken. Ich lasse Dich violette Pullover stricken und mir Wollreste schenken. Ich lasse Dich unsicher den Herrn Jesus von der Wand nehmen, nur für eine Nacht, nur, weil er mich im Schlaf angrinst. Ich lasse Dich mehr Fragen stellen als Antworten geben. Ich lasse uns H-Milch trinken und Pickert essen und Dich lasse ich Platt reden und mich staunen.
Und den ganzen Rest, den geben wir auf, den lassen wir ziehen, den schreiben wir nicht auf die Ahnentafel. Ich lasse Dich meine Oma sein und mich Deine Enkelin.

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