Sport vom Wochenende

Seit einigen Monaten spiele ich Volleyball in einer anderen Mannschaft.
Der Altersdurchschnitt ist hoch, die allermeisten dort haben Kinder, die sind zwischen vier Monate und zwanzig Jahre alt.
Ein paar haben vor langer Zeit semiprofessionell gespielt und sind jetzt auf ziemlich gutem Niveau für Menschen in ihren Vierzigern. Auf besserem als ich beispielsweise. Dafür bin ich ja neu und lerne. Die sind alle so erfahren dort, die haben sich ein dickes stoisches Fell der Gelassenheit wachsen lassen. Wenn ich mit meinen unsauberen Annahmen um die Ecke komme, das unbeeindruckt die völlig. Runter mit dem Hintern, Arme gerade halten, und jedes einzelne Mal weisen sie mich mit der gleichen Langmut darauf hin.
Wir spielen in der Landesliga. Menschen, die mit dem organisierten Wettkampfsport nicht vertraut sind, denken, Landesliga sei die oberste Liga im deutschen Land. Ich korrigiere sie dann nicht und sage, jajaa, wir trainieren zweimal die Woche!
Beim letzten Training haben alle anderen, die neu dabei sind, und ich eine Grundausrüstung bekommen: Ich besitze nun eine Sporttasche, auf der meine Trikotnummer gedruckt ist (Nummer sechs) und in die ein dunkelblauer Kleinwagen passt, eine Volleyballhose, einen Trainingsanzug mit für Volleyballerinnen angemessener Beinlänge, ein Trikot sowie ein Einspieltrikot, das wir allein zum Warmmachen tragen werden, um dann bereit und schwitzend ins frische Spieltrikot zu schlüpfen. Das ist unfassbar fachmännisch. Ich fühle mich wie jemand, den jederzeit ein Spielerberater anruft, um die nächste Ablösesumme zu besprechen.
Am Wochenende spielten wir unser erstes Vorbereitungsturnier vor Saisonbeginn. Zwei Mehrzweckhallen steckten bis unter die Decke voll mit volleyballspielenden Menschen. Laut, hektisch, reizüberflutet, Musik mit hoher bpm-Frequenz, Bälle. Ich bin ein introvertierter Mensch und hatte nach kurzer Zeit das Gefühl, Raum und Zeit verschieben sich und ich sei in einen Spalt gefallen. Dann kam mir der Gedanke, ich könne ein plötzlich aktivierter Cylon sein. Der hielt sich ziemlich lang, ganz abgespalten bin ich dort rumgelaufen und habe eine unsaubere Annahme nach der anderen geliefert. Irgendwann stand ich dann unter der Dusche und da wars ruhig und da war ich mir dann wieder sicher, dass ich eigentlich doch kein Cylon bin. Als ich abends wieder zu Hause ankam, lag Dr. Schmotzen schon im Bett und ihr Vater saß schlafend daneben. In der obersten Liga des Landes wird schnell und hart gespielt.

5 Replies to “Sport vom Wochenende”

  1. Sehr beeindruckend! Volleyball war (neben diesen Rollbretter, die es in der Grundschule gab) das wirklich einzige, was mir im Sportunterricht je ernsthaft Spaß gemacht hat. Aber schon damals war ich ein ziemlich bescheidener Sportler. Mein geringes Gewicht und meine langen Bein haben mir das alles etwas erträglich gemacht, aber meine Sache war Sport nie und wird jetzt jetzt wo der Materialverschleiß immer weiter einsetzt wohl auch nicht mehr werden.

    Wie man es aber schaffen kann mit Kind und Job und Landhaus auch noch in der Landesliga mitzuspielen … das ist mir ein ziemliches Rätsel. Sehr beeindruckend. Sehr. Echt jetzt.

    Und: Wie herzerweichend sind bitte Väter, die neben ihrer Töchter Betten einschlafen?! Hachzn.

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  2. Lieber Ben, Du gehörst jetzt aber nicht zu denen, die Landesliga mit Bundesliga verwechseln? Bundesliga wäre in der Tat beeindruckend, Landesliga ist so eher unterer Standard, wenn man über einsachtzig groß ist und schon viele Weihnachten mit Volleyball verbracht hat.
    Bei dem Turnier mit den ganzen jungen Spielerinnen sind mir zwei Dinge klar geworden: 1. In den entscheidenden Jahren damals hat es an Ehrgeiz gemangelt. 2. Das ist überhaupt nicht schlimm.

    Gerade jetzt bei beginnendem Verschleiß wirkt leichter Sport kurativ. Ich schlage Badminton vor. Das gute daran ist, man braucht einen Partner an seiner Seite. Bäuchlings Rollbrettfahren bei abnehmendem Mond soll gut gegen Haarausfall helfen, hörte ich.

    Landhaus, das ist so eine Sache. Jetzt, wo es Herbst wird, haben wir ein vermehrtes Aufkommen an grotesk großen Spinnen.

    Und ja, der mütterliche Blick bekommt schon durchaus hachziges Material im Laufe einer Vater-Kind-Beziehung.

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  3. Heißt das, du bist über 180 groß?

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    1. Durchschnittlich einhundertfünfundachtzig Zentimeter.
      Durch gezieltes Einknicken der Knie- und Hüftgelenke kann ich mich auf Stehveranstaltungen allerdings der kleinergewachsenen Mehrheit anpassen.

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  4. Warum muss ich bei „Stehveranstaltungen“ jetzt sofort an „Weihnachtsmarkt“ denken?

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