Turnstunde

Jeden Montag um zehn vor vier suche ich nach Gründen gegen das Kinderturnen. Jeden Montag um halb fünf fängt in einer kleinen Einfachturnhalle mit sechzig Jahre altem Holzboden Dr. Schmotzens Turnstunde an.
Die Tochter liebt die folgenden fünfundvierzig Minuten Singerei, Kletterei und Hüpferei. Ich nicht.
Schwitzende Kinder mit hängenden Strumpfhosen und verrotzten Nasen drängeln vor und spielen gegeneinander an vertauten Gerätschaften. Ihre Mütter stehen zusammen und unterhalten sich über Nachbarschaft und gemeinsame Bekannte. Manchmal fährt jemand mit dem Rollbrett über einen dreijährigen Finger oder übergibt sich in die Ballkiste.
Die Turnlehrerin ist auf zack und ein heißes Eisen. Die Dichte an mitturnenden Vätern ist in dieser Gruppe überdurchschnittlich hoch. Manche tragen ihre Thermolaufbekleidung mit Reflektorband und Trinkflaschenhalterung am Gürtel. Sie rufen ihren Söhnen genderformende Sätze zu. Immer montags gegen halb fünf erkenne ich den Unterschied zwischen Menschen vom Land und Menschen aus der Stadt besonders gut.
Ich sage mir, ich halte durch bis Dr. Schmotzen vier ist, dann wird sie upgegradet in elternfreies Turnen.