Bei Axel Springer steht ein Aufzug. Christian Wulff fährt gerade darin. Zunächst wurde er hochkutschiert, das hat ihn gefreut, jetzt bringt der Aufzug ihn runter, bloß viel weiter als dorthin, wo er eingestiegen ist. Er befindet sich aktuell unterhalb der Tiefgarage.
Verstehen wir uns nicht falsch. Der momentane Bundespräsident hat zugunsten eines hässlichen Hauses gemauschelt, darüber gelogen, er hat versucht, die Veröffentlichung der Mauschelei zugunsten eines hässlichen Hauses zu verhindern, darüber gelogen, und darüber dann, über die ganze Mauschelei und Lügerei und Verhindererei, darüber ist ihm schließlich das Instrument seines Amtes abhanden gekommen, es wurde immer geringer, immer ungewichtiger und dann segelte es einfach davon: Das Wort.
Und wie er mit seinen Affären umgeht, wie er, ein paar Monate nachdem ein anderer Politiker bewies, dass salamitaktisch nichts zu holen ist, genau die gleiche Linie fährt, wie er strategisch grobe Fehler macht, zeigt: Anscheinend ist er neben Vorteilnahmeaffinität und Vertuschungsinteressen obendrein auch ein wenig dumm. Ein Bündel unmoralischer Eigenschaften und kognitive Deckelung sind schlechte Bestandteile eines Bundespräsidenten.
Der Fall scheint also klar – und zieht einen problematischen Kollateraleffekt mit sich. Die Bildzeitung.
Die Bildzeitung hat mit dem Richtungswechsel von Wulffs rosiger Aufzugfahrt einen großen Schritt weiter in die Mitte der Gesellschaft gemacht. Denn da will sie hin. Sie will Relevanz. Sie will ihre Schmutzigkeit loswerden und eine Brustverkleinerung. So lanciert sie die Meldung über Wulffs Anrufbeantworterausbruch an Zeitungskollegen, anstatt sie selbst direkt zu veröffentlichen. Damit hätte sie dem gelernten aggressiven Bildzeitungskampagnenstil entsprochen und vielleicht wäre daraus bei Menschen und Medien Solidarität zu Wulff entstanden.
In 2011 war die Bildzeitung nach dem Spiegel das zweithäufigste Medium, das zitiert wurde und steigerte sich damit um dreißig Prozent. Die Bildzeitung versucht, sich als wertiges investigatives journalistisches Medium zu generieren, sie beansprucht in dieser Affäre sogar den Enthüllungsstatus eines Spiegels oder früheren Stern. Sie stellt sich geschickt an und doch ist ihre ganze, in ihrer Hässlichkeit Wulffs gemauscheltem Haus ähnelnde Macht zu erkennen. Ihr taktisches Platzieren von Informationen, ihr Abwarten, ihr Einheizen, ihr Erpressen und unter Druck setzen. Und was jetzt gerade in den Bildzeitungsschubladen liegt und auf Verfeuerung zur richtigen Stunde wartet, wer weiß.
Es ist ein Dilemma: Einerseits braucht kein Mensch einen Herrn Wulff in diesem Amt, die Medien haben das verstanden. Andererseits, was ist ein Rücktritt wert, erpresst durch ein sich profilierendes Boulevardblatt?
Am Ende des Tages braucht Wulff nicht als Sieger dieser Affäre hervorzugehen, die Bildzeitung aber auch nicht.