Zum ersten Mal habe ich gestern ein Hörbuch gehört. Im Urlaub, da macht man komisches.
Dabei hat sich bestätigt, was ich schon vorher wusste: Ich höre viel weniger sorgfältig als dass ich lese. Ungefähr zweiundsiebzig Prozent sind ungehört, denke ich. Was in meine Ohren hereinrauscht, erreicht nur zu einem Bruchteil den datenverarbeitenden Bereich meines Hirns. Nur einundzwanzig Prozent von Büchern wahrzunehmen, vernachlässigt man weitere sieben Prozent, die mir beim Lesen auf der Strecke bleiben: Dazu sind mir Bücher zu schade. Eigentlich. Als Sekundärkommunikationsmittel beim Schalstricken oder Spazierengehen eignen sich Audiotexte dann aber doch. Aber, allein, ich ärgere mich.
Das Vorgelesenbekommen ist ein interpretatorischer Eingriff. Ich möchte mir lieber selbst aussuchen, mit welcher Stimme ich einen Text lese, wenn ich ihn lese. Meine innere Vorlesestimme hätte bei dem Buch gestern weniger aufgeregt geklungen, sie hätte an anderen Stellen Ironie entdeckt, sie hätte nicht gebissen, sie wäre mein eigener literarischer Bezugspunkt. Mein Zugang zu dem Buch wäre ohne diese fremdstimmige Bedeutungsebene ausgekommen. Vielleicht wäre irgendein Teil des Textes zu mir übergesiedelt, dauerhaft.
Die meisten Hörbücher sind zudem noch gekürzt. Dabei ist Text doch Chef! Text ist unantastbar. Nein, unantastbar natürlich nicht, jeder Text ist altes Gewebe, trotzdem: Ein Text, der einen Namen hat, der darf nicht editiert werden und unter gleichem Namen fortbestehen. Der hat sich doch verändert.
Ach, ich fürchte, Hörtext wirkt unter anderen Bedingungen als Lesetext.
Jedenfalls: Der Einstieg war »Gut gegen Norwind«. Gute Wahl, lebt nämlich von einer großen Wiederholung und die konnte ich beim Hören gut gebrauchen. So wie in Seniorenunterhaltungsformaten fing der sich stets wiederkäuende Inhalt mich hier und da ein, sodass ich effektiv nichts verpasste auch wenn zweiundsiebzig Prozent Wortbrei an mir vorbeizogen. Meine Konzentrationspunkt schwebte stets ein paar Zentimeter über dem akustischem Signal.
Zum Hören bleiben für mich eigentlich die Bücher, auf die ich zu lesen keine Lust habe. Aber das ist gut, davon gibt es durchaus ein paar.