Dumbo

Spartacus hatte nach dem Film kaum Redebedarf.

Spartacus hatte nach dem Film kaum Redebedarf. Bei Dr. Schmotzen war das anders.

Mit den Kindern Dumbo geschaut. Einordnende Nachbesprechnung:
Dr. Schmotzen findet Filme mit Müttern in Gefangenschaft genau so schlimm, wie Filme mit gestorbenen Müttern. Dr. Schmotzen möchte nicht, dass ich jemals ins Gefängnis komme, außer ich nehme sie mit. Dr. Schmotzen fragt sich, wie man Leute länger als zwei Wochen einsperren kann. Wir sprechen über unterschiedliche Straftaten und das grob zugehörige Strafmaß. Dr. Schmotzen rechnet aus, dass wenn sie jetzt etwas richtig, richtig schlimmes macht, sie mit ungefähr 23 Jahren erst aus dem Gefängnis käme. Wir sprechen über Strafmündigkeit. Und dass Haftstrafen immer das letzte Mittel sein sollten. Und dass wir niemanden kennen, der schon mal im Gefängnis war. Gefängnis findet in unserer Lebensrealität nicht statt. Dr. Schmotzen fällt ein, dass E.s Vater viele Jahre im Gefängnis verbracht hat. In der Türkei. Wir sprechen über politische Verfolgung in der Türkei und in Russland. Kurz über Gewaltenteilung und dann über Menschenrechte. Dr. Schmotzen liest ein paar Menschenrechte vor. Wir finden, dass die deutsche Verfassung durchaus Hand und Fuß hat und dass sie so viele Menschen wie möglich schützen sollte, die mehr Pech mit der Verfassung ihres Landes haben.

Nebenverarbeitungsstrang: Warum alle Kinder Dumbo ausgelacht haben. Wir überlegen, dass große Ohren nichts über die Person zwischen den großen Ohren aussagen. Dr. Schmotzen erzählt, dass sich V. über ihre Mückenstiche im Gesicht lustig macht und sie also auch Dumbo ist und ich somit als ihre Mutter bald in Gefangenschaft lande. Wir lenken das Thema auf die individuelle Dumbohaftigkeit eines jeden Menschen. Wir merken, dass jeder auf irgendeinem Feld Dumbo ist. Ich erzähle, dass ich als Kind wegen meiner giraffenartigen Erscheinung ausgelacht wurde, weil ich so riesig und sehnig war. Wir sammeln die Dumbohaftigkeiten aller Leute, die uns einfallen. Monsieur LeGimpsi ist sogar Dumbo als Gesamtpaket, würd ich sagen. Und dass Dumbohaftes ja auch Specialskills mitbringt. Ich kann menschenfeindliche Aufkleber im öffentlichen Raum abreißen und überkleben, ganz ohne Leiter.

Nach dem Aufwachen fragt Dr. Schmotzen als erstes, ob sich die anderen Elefanten wohl am Ende bei Dumbo entschuldigt haben. Als sie von der Schule kommt, fragt Dr. Schmotzen, ob denn die Elefantenherde am Ende wieder zusammen war. Wir überlegen, dass es manchmal vielleicht besser ist, eine einzelne Maus (mit ebenfalls interessantem Kopf/Ohr-Größenverhältnis) zum Freund zu haben, als eine Familie aus dämlichen Elefanten.

Milchkaffee

Nachdem ich mich gestern bei einer guten Freundin mit einem Kaffee mit lieblingscaféverdächtiger Milchschaumqualität aus arschteurem Luxuskaffeevollautomaten vergnügt habe, studierte ich heute Vormittag ein wenig genauer, wie man sich das auch selbst basteln kann. Ich hab ja nur so ein batterieloses Rührdings, das die Milch rumquirlt. Bislang hat das immer mehr oder weniger zufriedenstellend geklappt. Entweder ich hatte eine mehrere Zentimeter dicke Betonwand aus Milch auf meinem Kaffee kleben oder es schwammen drei große Milchblasen auf ihm herum.
Naja, jedenfalls hab ich nach nur einem einzigen Infovideo zu dem Thema direkt die Milchschaummeisterschaft erreicht, würd ich mal sagen. Ich halte mich ab jetzt immer an zwei Punkte: Milch nicht heißer als 70 °C werden lassen, dann bleibt die natürliche Süße erhalten. Und so lange quirlen, bis der Milchschaum so feinporig wie möglich ist. Das dauert eine Weile, aber ich bin ja Protestantin. Arbeit mit Muskelschmerz ist beste Arbeit.
Hab ich beides beachtet und direkt ein tipptoppes Ergebnis bekommen.

Unter Strom

Irgendwie findet bei Spartacus grad konzentriertes Charakterwachstum statt. Und was wir da zu sehen kriegen, huiui. Es handelt sich vermutlich um einen äußerst willensstarken, autonomiebedachten Menschen mit Hang zu grober Gewalt gegen Dinge. Auch wenn ich sagen würde, dass sie und Dr. Schmotzen grundsätzlich aus dem gleichen feinen Holz sind, war Dr. Schmotzen in meiner Erinnerung nicht ganz so mercedesartig. Dr. Schmotzen hatte immer schon eine große Kompromissfähigkeit und Empfänglichkeit für solide Verkaufsargumente. Spartacus hingegen, ich weiß ja nicht. Und dann hat sie natürlich noch diese Kleinkindblödigkeit, diese völlige Konzeptlosigkeit von fast allem, die nur durch ewiges Ausprobieren verschwindet. Bis sich da mal ne Regel abgeleitet hat.
Lustige Zeiten grad.

and hit it

Die letzten Wochen haben gezeigt, alles was ich brauche, ist eine Yogamatte und zwei kleine Hanteln. Sobald Spartacus gegen halb acht eingepennt ist und sich in der ersten Phase ihres Nachtschlafs befindet, die so tief ist, dass sie für etwa eine Dreiviertelstunde Lautstärken einer Düsenflugzeughauptverkehrszone toleriert, ziehe ich mir andere Klamotten an, rolle die Matte aus, lege die Hanteln parat und mache Sport. Wirklich anstrengenden Kram. Kraft und Cardio und Bauchmuskeln im Wechseln, das dauert knapp eine halbe Stunde und danach bin ich völlig am Ende. Eigentlich auch schon zwischendurch immer mal wieder, aber darum gehts ja. Da muss man dann durchhalten, ist ja auch gleich vorbei. Aus dem Fernseher sagt eine strenge Amerikanerin, was zu tun ist und ich mach das dann. Alle paar Tage ändert sich das Programm etwas zum schlechten und dann muss man sich an neue Übungen gewöhnen. Das erste Mal ist immer extrem anstrengend, einmal lag ich den ganzen Abend danach auf dem Boden, weil mein Kreislauf es nur dort aushielt. Aber schon beim nächsten Training hat sich der Körper auf die höhere Schwierigkeit eingestellt und macht einfach.
Es ist alles etwas fester geworden, der puddingartige Zustand ist weg, ich werde jeden Tag ähh stärker. Ich habe keine Rückenschmerzen mehr und das rechte Knie ist auch wieder gut. Natürlich macht es mehr Spaß, auf Volleybälle zu schlagen, aber das geht mit dem kleinen Kind und seiner abendlichen Mutteranhänglichkeit einfach nicht. Es klappt aber auch zu Hause ganz gut, hätt ich nicht gedacht.

Dr. Schmotzens neue Woche

Diese Woche war verrückt. Dr. Schmotzen hat auf den Schlag die Möglichkeit für vier neue Freizeitvergnügen erhalten.
Zum Ende des letzten Schuljahres lief der Instrumentenkreis aus. Dort ging sie immer freitags hin und lernte die Grundlagen des Notensystems kennen, beschäftigte sich mit Klavier, Flöte, Gitarre und Schlagzeug. Da war der Lehrplan nach einem Jahr durchgespielt. Außerdem besuchte sie im Sportverein so nen orientalischen Tanzkurs für Kinder. Das macht sie auch noch weiterhin, immer am Dienstag. Keine Ahnung, warum, ich vermute, es liegt am Spaß. Aber der Musikunterricht ist nun jedenfalls vorbei und sollte bestenfalls irgendwann mal demnächst in Instrumenteneinzelunterricht übergehen.

Am Montag war nichts.
Am Dienstag Tanzen.
Am Mittwoch schaute ich mir das Kursangebot des Sportvereins unverbindlich genauer an, entdeckte Aikido und befand, dass eine gute Defensive immer eine praktische Sache sei. Der Aikidokurs findet mittwochs statt und so fuhren wir direkt nachmittags mit einem restlos begeisterten Kind dorthin. Das Kind kehrte höchstzufrieden zurück und hatte gelernt versiert einem Bauchtritt zu begegnen (einfach einen Schritt zur Seite ausweichen) und sich die Füße zu massieren (täglich abends vorm Schlafengehen den Füßen für ihren Dienst danken).
Am Donnerstag rief eine Klavierlehrerin der Kreismusikschule an und fragte, ob wir zwei Stunden später mit Klavierunterricht beginnen wollten. Das Kind war restlos begeistert und so verlebte es die erste Klavierstunde von hoffentlich vielen, vielen weiteren und lernte, sieben Mal den gleichen Ton anzuschlagen.
Am gleichen Tag brachte es aus der Schule ein Anmeldeformular für Flötenunterricht mit, das es sich freiwillig eingepackt hatte. In diesem Schuljahr können Zweitklässler immer freitags nach dem Unterricht Flöte spielen lernen. Das Kind ist restlos begeistert.
Heute wurde es von der Klassenlehrerin angesprochen, ob es in der frisch gegründeten Theater AG mitmachen möchte. Im letzten Schuljahr hat das Kind mit einer Freundin wohl öfter mal selbst ausgedachte ausufernde Stücke einstudiert und der Klasse vorgeführt. Ich kann mir gut vorstellen, dass es dabei zu Beschwerden gelangweilter Zuschauer kam und die Schule das nun in geregelte Bahnen zu lenken versucht. Jedenfalls findet die AG immer donnerstags statt. Die Begeisterung des Kindes ist restlos.
Fast jede Aktivität bringt Vor- und Nachbereitungen mit sich. Beim Flöten- und Klavierunterricht soll täglich jeweils eine Viertelstunde geübt werden. Für die Theater AG muss man Texte auswendig lernen. Und die Aikidolehrerin möchte, dass die Füße dauernd massiert und gewürdigt werden. Nur orientalisches Tanzen ist entspannt, da geht man einfach bloß hin.
Wir schauen mal, wie sich die Dinge entwickeln. Das mit der Flöte lassen wir vielleicht erstmal sein. Im letzten Jahr beim Instrumentenkreis hat Dr. Schmotzen die Flöte mit ihren blöden tausend Löchern jedenfalls gehasst.
Müssen wir mal abwarten, welche Aktivitäten auf Dauer bleiben. Das entscheidet Dr. Schmotzen.

spielen

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Spartacus hat vor kurzem ein Spiel erfunden und macht seither nichts anderes. Ich glaub, die hat zu viel Tagesfreizeit. Das geht so (jede Bewegung ist in größtmöglicher Geste und Dramatik auszuführen): Sie rennt zum Sofa, reißt das Leinenkissen herunter, presst es vor die Brust, läuft zwei Schritte in den Raum, schmeißt das Kissen vor sich auf den Boden, wirft die Arme in die Luft und fliegt auf das Kissen, vergräbt das Gesicht darin, bewegt sich keinen Millimeter und spielt für drei Sekunden Tiefschlaf. Dann schlägt sie die Augen auf, springt hoch, schnappt sich das Kissen, rennt zwei Schritte in eine sich bietende Richtung und wiederholt die Episode. Das geht minutenlang. Wir haben dann ein sich abwechselnd schmeißendes und ruhendes Kind im Raum. Ziemlich oft steigt Dr. Schmotzen mit ein und alles endet in einer Schlacht, bei der Spartacus irgendwann auf Dr. Schmotzen sitzt und ihr ein Kissen aufs Gesicht drückt. Und dann folgen Fangen spielen und Raubtier spielen und dabei reißt Spartacus Dr. Schmotzen Haare aus oder stößt ihren Zeigefinger in Dr. Schmotzens Nasenloch und dann ist es erstmal vorbei mit der hedonistischen Zusammenkunft.
Die beiden spielen so rau und wild miteinander, das können nur Kinder. Diesen Schritt, den die fast achtjährige Dr. Schmotzen auf die so viel jüngere Spartacus zu macht, und diese Begegnung, die dann entsteht, das hab ich bei meinem kleinen Bruder damals nie geschafft. Wie viel fun, fun, fun ihm, mir und meinen Eltern dadurch entgangen ist.

28.08.

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Schon seit sieben Jahren trag ich jetzt den komischen Doppelnamen mit den immer zu buchstabierenden Endungen. Ich habe mich von vier Buchstaben auf sieben plus neun Buchstaben verschlechtert. Wobei sich in meiner Unterschrift im Laufe der Zeit sämtliche Vokale rausgekürzt haben. Die besteht eigentlich auch nur noch aus Schlenkern.

Heute zum ersten Mal seit Spartacus bei uns ist drei Stunden ohne Kinder verbracht. Nur Monsieur LeGimpsi und ich. Das war schön.

Zweites Schuljahr, erster Tag

Dr. Schmotzen fand ihre ersten Sommerferien nur so mittelgut. Sie waren ihr zu lang und zu weilig. Wir waren nicht im Urlaub, haben ein paar Ausflüge gemacht, es hat viel geregnet, manchmal gabs Pizza, ich kann sie verstehen. Heute Morgen war sie sehr früh wach, verkündete, sie sei jetzt Zweitklässlerin, das würde sich auch aufs Taschengeld auswirken, zog sich an und wartete auf den Bus.
In Dr. Schmotzens Schule bilden Erst- und Zweitklässler zusammen eine Lerngruppe. Sie arbeiten in Patenschaften, immer ein großes Kind mit einem kleinen. Von Zeit zu Zeit wechseln die Partner, das hängt von der Dynamik in der Gruppe ab und wie viele Kinder das Bedürfnis haben, ihren Partner zu tauschen. Jede Lerngruppe hat eine Partnerlerngruppe. Mehrmals die Woche werden die großen Schüler beider Lerngruppen zusammen unterrichtet und die kleinen ebenfalls. Am Ende des Schuljahrs werden die großen Schüler der zwei Lerngruppen gemeinsam eine Klasse der dritten Jahrgangsstufe bilden und einen neuen Lehrer bekommen. Manche Schüler bleiben aber auch ein weiteres Jahr in der Eingangsstufe, einfach, weil sie dort besser lernen können. Ich mag dieses Modell sehr gern. Ich finde, da hat sich jemand gründlich Gedanken gemacht und entspannt und großzügig konzipiert. Und ich mag, dass es in einer ganz normalen, eher konservativen katholischen Grundschule stattfindet. Schon seit zehn Jahren. Anfang der Neunziger saß ich in genau den Räumen und wurde von Lehrern in grauen Dreireihern und greisen Priestern unterrichtet. Wie schön, dass die Schule die Kurve gekriegt hat, obwohl die Rektorin immer noch die gleiche ist.
Viele Eltern sehen das Modell ziemlich skeptisch und sorgen sich, dass die Kinder bei der ganzen selbstständigen Arbeit und dem kooperativen Ansatz fachlich zu wenig lernen. Ich habe da null Befürchtungen. Es gibt natürlich das übliche Curriculum, alle paar Wochen werden Lernstandserhebungen durchgeführt, die Lehrerin hat gut im Blick, wo sich welcher Schüler gerade befindet. Dr. Schmotzen zum Beispiel ignoriert in ihrer Freiarbeit Mathe konsequent. Die ackert dafür alle Materialen zu Schreibübungen in Blitzgeschwindigkeit durch und lernt Gedichte auswendig. Dann und wann drückt die Lehrerin da mal auf die Bremse und sorgt für Ausgleich. Dann gibts Mathewochen fürs Kind.
Im letzten Schuljahr gehörte Dr. Schmotzen zu den Kleinen. Da hat sie meistens gute Erfahrungen mit ihren Partnern gemacht, manchmal aber auch schlechte und genau in den Momenten meinte sie, dass sie sich als Zweitklässlerin pädagogisch mehr Mühe mit ihrem Erstklässlerpartner geben werde. Vor allem in den ersten Monaten wolle sie sehr milde und geduldig sein. Wolle großmütig und zugetan ihrem Partner zu geistigem und persönlichem und körperlichem Wachstum verhelfen. Wolle engagiert und aufgeschlossen der humanistischen Lehre dienen und stets mit gutem Beispiel vorangehen. Niemals vorsagen, niemals ablenken, niemals die Bleistifte des Lernpartners ausleihen und dann verschwinden lassen, niemals dessen Pausenbrot essen. Nun denn. Morgen werden die neuen Kinder eingeschult, wir werden sehen, wie es sich anlässt. Vermutlich wird sie ziemlich oft genau so eine Besserwisserin sein, wie es in der Natur der Zweitklässler nunmal liegt.