Morgen wieder

Also dieser Urlaub war eine richtige Zeitsuppe. Ganz und gar Pause, mit Stecker raus und alles auf null. Fast drei Wochen lang. Alle Maschinen runterfahren, auch die digitalen, vor allem die. Viel zu viert sein, viel auf dem Sofa sein, viel Tee trinken und lesen und vorlesen und Filme schauen. Wenig andere Menschen reinlassen. Still sein, neue Matratzen kaufen, dann auf ihnen liegen, dann auf ihnen schlafen. Viel schlafen. In anderen Städten schlafen. Spielen. Bei manchen Spielen die Regeln nicht verstehen. Eine Marsrakete bauen, einen Roboterarm bauen, eine Freiheitsstatue bauen. Einen Weihnachtsbaum bauen. Dem Eichhörnchen zuschauen. Wein trinken aus neuen Gläsern. Erhöhte Spülmaschinenaktivität. Und jetzt ist das vorbei und morgen gehts wieder los. Das andere. Die längste Zeit des Jahres.
Die Wochen im November und Anfang Dezember waren so voll und hektisch und am Ende herrschte im Büro das reinste Chaos. Also wirklich major fuckup. Ich habe mich so oft in diese Pause gedacht. Wie sie mich forttragen sollte. Nur noch das erledigen und das und das. Das hinter mich bringen und den Termin und den. Und dann war die Pause da und hat uns eingesammelt und mitgenommen und jetzt bleibt sie stehen und macht ihre Türen auf und sagt, allemann wieder aussteigen, raus hier, aber dallidalli. Und weil es aber so schön behaglich war, haben wir nur T-Shirts an und keine Schuhe und jetzt stehen wir an der Kälteschwelle und schlottern beim Blick nach draußen. Naja ok. Also. Naja. Ich würde diese Pause gerade halt so gern noch etwas festhalten und weiter in der Zeitsuppenblase schwimmen. Nur kurz, vielleicht ein paar Jahrzehnte. Dann müsste ich morgen im Büro nicht schauen, wo wir stehen. Und ich müsste auch nicht generell schauen, wo wir stehen. Und was eigentlich los ist und Dinge überprüfen und korrigieren. Aber naja ok. Also. Naja. Wie gesagt.

romjul

Ich bin in einem Hotelzimmer in Frankfurt. Hier gibt es einfach nur ein großes Bett und Monsieur LeGimpsi. Zwei der besten Dinge der Welt. Eben haben wir uns die Van-Gogh-Ausstellung im Städelmuseum angeschaut, dann eine freundliche Pizza gegessen, ein kleiner Rest in Servietten und Zeitungspapier gerettet in Reichweite, und jetzt liegen wir hier und gucken zwei Serien parallel: Immer abwechselnd eine Folge Wanderlust und drei Folgen Undone. Rechts neben dem Bett ist ein kleiner Balkon und dahinter der Fluss und die Stadt. Ein paar Meter über uns rauschen die Flugzeuge rein und raus. Sonst ist ganz still. Nichts passiert. Genau wie wir wollten. Ein leerer Raum zwischen den Jahren.

Das war eine anstrengende zweite Jahreshälfte.

Das große Kind geht nun auf die weiterführende Schule und ich schaue ihm so gern dabei zu. This kid.

Es gab da eine kurze Zeit von Sommer bis Herbst. Die war schwer. Also so, dass der Zoom nicht mehr zum Leben passt. Dass er immer wieder probiert, einen Fokus zu finden, immer wieder neu scharf stellt, abrutscht und man landet viel zu dicht dran oder viel zu weit weg vom eigentlichen. Sich selbst dabei zusehen, wie einem neue Gedanken wachsen. Und man denkt, is this real life? oder eben ah ja, so war das ja, alles nur aus dünnem Papier um uns herum. Ganz dünnes Papier. Jep, Körper hören manchmal einfach auf. Sie machen das, ich weiß. Seiner, deiner. Meiner dann also auch. Das war neu.
Aber dieses Mal nicht, diesmal ist alles optimal gut gegangen und wir wieder auf Spur und das ist ein großes Glück.

Wir haben jetzt ein Ergometer im Badezimmer. Sitzen und strampeln und schwitzen und grinsen.

Gute zwei Tage Pause gerade.

Die Tilda möchte mal so gern zu euch zum Spielen kommen.

Was ist eigentlich mit Kindern los, dass die sich nach über acht Stunden Kindergarten noch zum Spielen verabreden wollen? Die sind so merkwürdig. Aber das schlimmste: Weil sie noch so klein sind, in Begleitung der Eltern. Also ehrlich mal. Entweder die kommen allein klar oder sie warten, bis es soweit ist. Und ziehen bitte nicht Unbeteiligte und Uninteressierte wie mich mit rein. Warum sollte ich meine Nachmittage in den Wohnzimmern fremder Leute verbringen, mit denen mich nur der Zufall verbindet, dass unsere Kinder in dieselbe Kita gehen? Oder genau so schlimm: Sie kommen zu uns.
Das ist meine Zeit und ich habe absolut keine Lust auf diese Zweckzusammenkünfte, nur damit mein Kind Erfahrungen sammeln kann, die es genau so gut ein paar Monate später machen wird, wenn ihm ein wenig mehr Reife, Selbstständigkeit und Kommunikationskompetenz gewachsen sind. Ich meine das sehr ernst. Wenn mein Kind und ich sich gegenseitig ausschließende Bedürfnisse nach sozialer Interaktion haben, gehen meine vor. Weil ich bestimme. Ihm wird dadurch nichts vorenthalten, das ihm mittelfristig nicht möglich gemacht wird.
Bei Dr. Schmotzen damals. Da saß ich nie irgendwo rum, nur damit sie und ein anderes Kind in häuslicher Umgebung spielen konnten. Auf die Idee wär man gar nicht gekommen. Da gab es einfach keine Verabredungen und das war vollkommen ok (außer natürlich, die Eltern waren irgendwie befreundet). Zumindest nicht, bis sie alt genug war, um ohne Begleitung zu Leuten zu gehen und dort klarzukommen. Und das tat sie dann auch sehr ausführlich und hatte selbst auch viel Besuch und alles war überhaupt nicht meine Angelegenheit und komplett ihr Ding. Und sämtliche Bedürfnisse wurden erfüllt.
Ich verstehe diese verbreitete Haltung von Eltern nicht, Kindern so früh wie möglich Playdates klarzumachen. Und immer wieder anzufragen, wann man sich verabreden könnte, egal wie ausweichend man schon beim ersten Mal reagiert hat. Ich weiß, dieses Zeitfenster schließt sich bald. Das kleine Kind ist ziemlich bereit, anderen allein Besuche abzustatten. Bei seinen Freundinnen und Freunden ist es ähnlich. Ich hoffe, die Eltern kriegen die Kurve. Es gibt doch diese Klettergerüst-Regel. Wer nicht allein hochkommt, wartet halt, bis er’s schafft. Da kann schon mal ein Sommer dazwischenliegen. Man vertraut einfach aufs Wachstum. Können wir das für die Spielverabredungen nicht auch so machen? Ich jedenfalls schon. Weil ich einfach null Bock drauf habe, aber ich glaube, das erwähnte ich bereits.

Primitivo

Das Problem ist ja, ich kenne mich überhaupt nicht aus mit Wein. Also ich weiß, es gibt roten und weißen und rosafarbenen und da wird’s schon kompliziert. Rosa, weil rot und weiß gemischt wurden? Oder als Schorle. Klingt beides realistisch.
Weil ich ja nie trinke. Ich bin eine ganz anti-alkoholische Person, aber ohne wertebasierten Unterbau. Ich mag eigentlich eh nur Wasser, das war schon immer so. Wasser finde ich einfach sinnvoll.
Auf jeden Fall besitzen wir nun neun Flaschen Rotwein vom Händler. Die wurden uns überraschend geschenkt und kamen in einem professionellen Weinpaket und waren alle auf einem Haufen sehr schwer. Und dann haben Dr. Schmotzen und ich rasch ein Weinregalchen zusammengezimmert und nun haben wir in der Wohnung einen neuen Ort, zu dem man gehen kann und sich hübsche Etiketten anschauen kann und überlegen kann, ob man möglicherweise ein Spatz ist, der mit einer Kanone beschossen wurde. Ich fühle mich, als hätte man mir ein Pferd geschenkt. Da weiß ich auch nicht, was die wollen und was sie brauchen und wie man sich mit ihnen unterhält und aber dass es Menschen gibt, die einem Pferd dazu nur aufs Ohr schauen müssen und die Sache ist für alle Beteiligten klar. Und die lieben Pferde so richtig. Heute haben wir eine Flasche aufgemacht und der Wein schmeckte bissig und ein wenig laut und Monsieur LeGimpsi meinte fruchtig, dabei kennt er sich mit Obst nun wirklich nicht besonders gut aus, und ich war nach dem halben Glas ganz rot im Gesicht und da hat’s mir für den Abend schon wieder gereicht mit dem Wein und mir. Ich fürchte, es ist eine Übungssache und hat was mit Muskeln zu tun. Dazu haben wir die schlimme fünfte Staffel von Glee geschaut, jetzt sind alle in New York und da gehören sie nicht hin. Überhaupt, was ist mit Emma.
Einen Ort mit einem Weinregalchen zu haben, ist aber schon auch schön, natürlich.

Außerdem ist Dr. Schmotzen nun in der fünften Klasse und ich glaube, die neue Schule könnte ein ziemlich toller Ort für sie werden. Und das fühle ich sehr gern.

Üben, aber nachlässig

Das kleine Kind ist in der Kita, Monsieur LeGimpsi bei der Arbeit und wir üben den neuen Schulweg und steigen ein paar Stationen früher aus der Bahn und machen Zwischenhalt im Ohrensessel. Es sind ja immer noch Ferien, da ist es wichtig, die Dinge so gemächlich wie möglich anzugehen. Bibliothek, Café, Buchhandlung, Bastelladen, hallo neue Schule, Füße in die Lutter halten und dann den Weg zur Haltestelle gehen. Das Kind hangelt sich von Schaufenster zu Schaufenster: Da ist Kneipenbaustelle, da das Schwein, da macht Teresa Geschäfte, da kommen die schlimmen Brautkleider und jetzt sind wir an der Bahn. Das ist locker machbar. Das zu merken, ist meine Übung.

In Büsum sein

Dieses Bild hat Monsieur LeGimpsi gemacht.

Wir haben Urlaub gemacht und waren in Büsum. Dort ist es ganz beschaulich und zu hundert Prozent touristisch erschlossen. In meiner Vorstellung eines perfekten Urlaubs sind wir wochenlang an einem menschenleeren Strand, bei dem man einen Kilometer durch muscheldurchsetzten Sand gehen muss, um ans Wasser zu gelangen. Wir ernähren uns von nichts als Äpfeln und Butterkeksen und werfen uns stundenlang Bälle zu oder prüfen, wer am schnellsten rennen kann. Ich meine mich zu erinnern, dass so die Urlaube meiner Kindheit waren.
In Büsum aber war alles voll mit Strandkörben und Menschen und Stadtplanung und Infrastruktur. Das war auch ok. Das nächste Fischbrötchen hielt sich immer nur eine Armlänge entfernt bereit. Ich mochte, dass wir direkt am Deich gewohnt haben und man anderthalb Kilometer durchs Watt zum Hafen stapfen konnte, um historische Schiffe anzuschauen. Oder um zu überlegen, welche Bootsausflüge wir alle nicht machen können, weil Schifffsschrauben involviert waren und das große Kind diese Form des Antriebes aufgrund möglicher Schadwirkungen auf Meeresbewohner boykottiert.
Wobei das mit dem Wattwandern auch nur theoretisch zutraf, denn das kleine Kind hat weiterhin eine große Abneigung gegen Matschfüße am eigenen Körper und betrat das Watt darum nicht. Und das große Kind betrachtete das Watt als geschützten Lebensraum und hielt sich deswegen auch sehr zurück.

Dieses Bild hat Monsieur LeGimpsi gemacht.

Und so sind wir die meiste Zeit auf dem gut ausgebauten Deich entlangspaziert und haben auf 17 Uhr gewartet. Dann nämlich verließ der Strandkorbverleiher seinen Arbeitsplatz und man konnte einfach die Absperrung eines Korbes seiner Wahl entfernen und sich dort reinsetzen. Aber das war Monsieur LeGimpsi zu gefährlich und darum saß er nicht bei uns, sondern in juristisch sicherer Entfernung.

Diese Bild hat Monsieur LeGimpsi gemacht.

Wir hatten zunächst ein paar Tage Regenwetter und später dann richtig warme Sonnentage. Insgesamt war das eine schöne Zeit für alle, auch wenn sie sich für Monsieur LeGimpsi und mich fremdbestimmter angefühlt hat, als der Alltag, denn irgendein Kind wollte meistens etwas ganz anderes machen, als wir uns das gedacht hatten.
Ich freue mich schon sehr auf die Zeit, wenn ich mit ihm allein Urlaub mache. Das hatten wir ja noch nie. Das wird bestimmt sehr angenehm, wenn ich den ganzen Tag illegal in Strandkörben liege und er daneben und sonst besteht unser Leben nur aus Büchern und Kaffee und Watt.

69

Auf meinem Balkon wachsen Erdbeeren. Auf meinen Balkon scheint lange die Sonne, von morgens früh bis bestimmt achtzehn Uhr. Immerzu werden die Erdbeeren von der Sonne beschienen. Sie wachsen ihr direkt entgegen. Mit ihren kleinen Tellerblättern sehen sie aus wie freundliche, zugewandte Strandtouristen. Ich passe auf, dass sie genug Wasser bekommen. Ich habe Dünger gekauft, ich meine es sehr ernst. Eine richtige Erdbeergluckenmutter bin ich in diesem Sommer. Mittlerweile kann ich jeden Tag eine kleine Hand voll pflücken. Sie schmecken süß und lustig.
Ich denke viel an Omis Garten. War sie nicht schon über achtzig und ist immer noch viele Jahre lang mit ihrem Fahrrad in den Garten gefahren? Über dem Schloss am Tor war ein gebogenes Stück Leder zum Schutz vor dem Wetter und der Schlüssel hing direkt daneben, so konnte sie ihn gut erreichen. Wie klein sie war. Es gab zwei Wasserpumpen, das Wasser floss direkt in blaue Regentonnen. Sie waren über Schläuche verbunden. Sobald in der ersten Tonne ein bestimmter Wasserstand erreicht war, floss es weiter in die nächste, ein wenig kleinere. Ich mochte das. Man musste ein paar Mal pumpen, dann schoss das Wasser los. Es war ganz kalt und kam mir unendlich tief vor. Ich habe in der Küche jetzt auch eine Regentonne. Ich sammele darin das Wasser für die Erdbeeren. Das ist wirklich praktisch. Sobald hier jemand sein Glas nicht leer trinkt oder halb volle Flaschen mit nach Hause bringt, kommt das Wasser in die Regentonne in der Küche. Sie fasst anderthalb Liter und wenn sie abends voll ist, bringe ich sie auf den Balkon und gieße die Erdbeeren. Die Regentonne ist eigentlich ein Messbecher, aber nicht für mich.
In einem Sommer haben wir in Omis Garten Sonnenblumenkerne in der Erde vergraben. Ich mochte Sonnenblumen damals schon nicht, aber wie groß sie dann wurden, fand ich schon gut.
Das Gemüse war in Reihen gepflanzt. Ich kann mich an Kartoffeln erinnern, die wir aus der Erde gesammelt haben. Und immer die Mutter bestaunt und beiseite gelegt. Und an Petersilie, an Rhabarber, an Möhren. Und an die Erdbeeren natürlich. Ich habe sie in der Regentonne gewaschen und mir in den Mund gesteckt. Erdbeeren wurden immer sofort gegessen.
Alles Liebe, hätte ich heute zu dir gesagt. Fuck, wie gern ich das heute zu dir sagen würde.

Überm Wählerverzeichnis

Gestern war Europawahl und ich habe mitgeholfen. Als stellvertretende Schriftführerin ist es doch wesentlich anstrengender, als ich dachte. Und es gibt auch gar nicht so richtig ausgeklügelte Prozesse bei der Annahme von Wahlbenachrichtigungen und Prüfung des Wählerverzeichnisses und Ausgabe von Stimmzetteln und Abgabe des Wählerwillens und die Wahrscheinlichkeit, dass dabei an irgendeiner Stelle Fehler passieren, ist ziemlich hoch. Aber unser Wahllokalteam hat sein allerbestes gegeben und so stimmten am Ende die Zahlen und es gab keine Ungereimtheiten und erneut zählen mussten wir auch nicht und so war alles vor 20 Uhr fertig und eingetütet und versiegelt und ich stand kurze Zeit später in der Dönerbude und war sehr kaputt und hungrig und fröhlich.

Im Grunde ist Schriftführerin bei demokratischen Wahlen sein ein richtig guter Job für jeden Tag. Man hat mit Menschen zu tun, die freiwillig eine bedeutungsvolle und ein bisschen aufregende Handlung zielgerichtet ausführen möchten und unterstützt sie dabei. Entsprechend freundlich begegnen einem die Leute, die vermutlich alle froh sind, nicht auf meinem Platz sitzen zu müssen. Wenn sie wüssten. All the fun.
Dabei ist zugewandtes, verbindliches Auftreten von Vorteil, um der ganzen Veranstaltung einen möglichst angemessen würdevollen Rahmen zu verpassen. Und dann stellt sich sehr schnell ein Flow ein, weil man mitten in der Schaltzentrale sitzt. Man ist die Schaltzentrale.
Ein Wahlteam besteht bis zum Wahlschluss aus mindestens drei anwesenden Personen, von denen einer die Wahlbenachrichtungen annimmt, einer die Stimmzettel austeilt und die Wahlurne freigibt und einer den ganzen Rest macht, der darin besteht, an ziemlich vielen Stellen gleichzeitig im Wählerverzeichnis rumzuschrauben. Während die anderen bei erhöhtem Wahlaufkommen einfach ihre Handbewegungen nach oben skalieren, muss der eine, der das Verzeichnis beackert, sich gut konzentrieren, um den Überblick nicht zu verlieren. Da würde ich die Prozesse schon gern optimieren. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das nicht eleganter und weniger fehleranfällig geht und man nicht irgendwelche Synergieeffekte nutzen kann.

Wie sehr ich diesen Wahlbezirk mochte. Der war stabil. Und wie darin gewählt wurde. Auch ganz stabil. Fast 40 Prozent Grüne, fast so viel PARTEI wie CDU, kaum FDP, kaum Naziparteien. Beim Auszählen hat man die grüne Überlegenheit gut sehen können und das war ein sehr beeindruckender Anblick. Ich habe den Grünen-Stapel zum Zählen auf den Tisch gehoben, ich hatte auch Stapel der SPD und FDP in den Händen. Und von kleineren Parteien mit nur einstelligem Ergebnis. Die Grünen waren ein Brocken. Richtig dicker Oschi. Das hatte ich so nicht erwartet, das war neu. Es tat sehr gut.
Und ich weiß ja, wer die Leute waren, die diese Stimmen abgegeben hatten. Ich weiß ja, in welchem Bezirk sie leben. Eher härtere Bedingungen dort. Eher wenig Spielräume. Eher keine Privilegien. Als wir am Ende alle Stimmzettel sortiert hatten, meinte eine Wahlhelferin: „Wir wissen zwar nicht, wer was gewählt hat, aber wir wissen, niemand hat die NPD gewählt.“ Keiner hat sich für Hass entschieden.
Ja. Dort wo ich wohne, wo Kopfsteinpflaster und Fachwerkhäuser und alter Baumbestand die Gegend schön machen, wo viele ältere Leute in neuen BMWs rumfahren und ihre Bettdeckenfüllungen in Fachgeschäften in Einzellage auffrischen, haben mehr Menschen Nazis gewählt.