Plastikschnepfe

Das Kind wünscht sich eine Barbie zu Weihnachten. Ich bin darüber ein wenig verunsichert. Eine Barbie ist ungefähr das allerletzte, was ich anschaffen möchte. Das folgt gleich auf Kriegsspielzeug.

IMG_1327Warum finde ich Barbies doof?
Ich finde nicht nur Barbies doof, ich finde jedes durchgegenderte Spielzeug doof. Jedes Spielzeug, auf dem steht, mit mir sollen nur Jungs oder mit mir sollen nur Mädchen spielen. Wenn ich sowas sehe, stelle ich mir immer die zynischen Produktentwickler vor, wie sie mit den Marketingleuten und Vertrieblern zusammensitzen und geschlechtsspezifische Farb- und Symbolwelten ausklamüsern, auf dass die nachfolgenden Elterngenerationen allein durch die unglaubliche Masse an Verpinkung und Vermaskulinisierung für jedes kritische Bewusstsein anästhesiert werden. Die wissen gar nicht, was sie alles kaputtmachen mit Mädchen-Überraschungseiern und Mädchen-Lego.
Wir versuchen, das Kind davor zu bewahren und so viel Neutralität wie möglich ins Kinderzimmer zu holen.
Andererseits eine Barbie hatte ich selbst damals auch. Eine von meiner Kusine, eine alte, zu Ende gespielte Puppe mit abgekauten Füßen. Ich habe ihr durchschnittlich viel Aufmerksamkeit geschenkt, glaub ich. Geschadet hat sie mir jedenfalls nicht.

Warum findet das Kind Barbies nicht doof?
Nun lebt das Dr. Schmotzen seit einiger Zeit eine ausgeprägte Pinkphase. Ähem. Das stört mich, aber ich lasse ihr das, die kommt schon noch dahinter. Ich sehe an Dr. Schmotzen, wie erfolgreich die Industrie ihre Maschine betreibt, das Kind fällt mit seinen fünf Jahren voll drauf rein. Und alle Ähnlichaltrigen auch.
Barbies sind im Kindergarten harte Währung. Dr. Schmotzen weiß genau, wer welche Plastikpuppen besitzt. An Spielzeugtagen werden die angekarrt, bei Besuchen in fremden Kinderzimmern werden sie auf große Haufen gestapelt. Es war mal ein Kind hier, das meinte, es wolle nicht noch einmal zu uns kommen, weil wir keine Barbies hätten. Sie hat das sehr anklagend an mich gerichtet, so als wolle sie das Jugendamt informieren, unter welchen kinderfeindlichen Bedingungen Dr. Schmotzen leben muss. Auch wenn ich nicht glaube, dass der fehlende Barbiefuhrpark der wirkliche Grund für die Besuchsverweigerung war, sondern vielleicht der zu große Altersunterschied, Dr. Schmotzen hat sich diesen Satz gemerkt und auch alle weiteren, die im Kindergarten so fallen.
Und dann hört sie von mir andauernd, dass ich Barbies nicht mag und ich die nicht kaufen werde, und das macht die ganze Angelegenheit nur noch interessanter, fürchte ich.
Das Kind hat mehrere nachvollziehbare Gründe, auf seinen Wunschzettel ein gelbschöpfiges Wesen mit Staksebeinen und Grinsegesicht zu malen und mich zu bitten, »Barbie« daneben zu schreiben.

Und nun?
Das Kind wird wahrscheinlich so ein Ding bekommen, am Mittwoch fahre ich in die Stadt und schaue mir die Tussen mal genauer an.
Ich glaube kaum, dass Lego, Holzklötze, Puzzle und Bauteppich fortan ignoriert werden, nur weil ein  statisches, unhandliches, nicht modifizierbares Spielzeug bei uns einzieht. Wahrscheinlich wird es 
mittelfristig auf einen bespielten Mischmasch hinauslaufen, so wie jetzt auch schon Holzpuppen, Legomännchen und Stofftiere in einer friedlichen Kommune auf der Verkehrsinsel des Straßenteppichs zusammenleben. Und am Ende kehrt bei uns allen vielleicht ein wenig Entspannung ein, mit Embargo lebt es sich ja nicht so angenehm. Dann merken wir, dass nicht im zehn Zentimeter langen Stück Plastik der Teufel wohnt, sondern in der drüberschwebenden Bedeutungswolke, die sich kaputtpieksen lässt.

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