Tag 2: Am Rande des Wahnsinns

Na, dit läuft ja wie am Schnürchen:
Hab ich doch gestern tatsächlich den Vorratsschrank aufgeräumt und den Kühlschrank geputzt. Und heute morgen, zack aufgestanden und mich dem Todfeind Kinderzimmer gestellt. Drei Stunden haben wir miteinander gekämpft, es war nicht leicht. Zweifle an der geistigen Gesundheit des Kindes. Habe in jeder Schublade dem Wahnsinn ins Auge geblickt. In einer fand ich ein Büschel Haare, keine Ahnung, wann es sich das abgeschnitten hat. In einer anderen in Milliarden Fitzchelchen gerissenes Kunststoffverpackungsmaterial, das sich statisch an drei Kilo Playmobilmännchen schmiegte und einzeln abgezupft werden musste. Ich fand so viele zerknüllte Taschentücher um ein ganzes Rind mit ihnen auszustopfen, Kassettenbandsalate und allerhand, das aus der Küche entwendet wurde. Am Ende habe ich vier Abfalltonnen gefüllt: Papier, Restmüll, Gelber Sack, Biotonne. Dann war ich fertig.

Ich habe zum ersten Mal Anke Gröners Rote Linsensuppe gekocht und auf wundersame Weise hatte ich jede Zutat auf der Stelle parat. Außer frischem Koriander, den hab ich am Ende durch Petersilie ersetzt. Und geröstete Senfkörner hatte ich auch nicht, die hab ich durch nichts ersetzt.
Processed with VSCOcam with g3 presetDie Suppe ist ziemlich würzig und schmeckt mir gut. Nicht unfassbar atemberaubend gut, aber solide, kann man machen. Außerdem bringt sie viel Eisen mit und das hab ich nötig. Im Moment versuche ich, den Eisenmangel durch eine angepasste Ernährung auszugleichen. Und Kräuterblut. Kräuterblut ist echt das letzte. Das schmeckt wie abgestandenes Wasser aus der Regentonne, in der einen ganzen Sommer lang alte Nägel rumrosteten. Hilft nix, die Blutwerte müssen steigen, sonst kann die Geburt nicht im Geburtshaus stattfinden, die haben da eine strikte No-Eisenarmut-Policy.
Processed with VSCOcam with g3 presetAls Wiedergutmachung mit der Tochter habe ich dann den letzten Erdbeer-Nachtisch gegessen. Der war von gestern noch übrig und eigentlich ihr versprochen. Aber als Reparationsleistung für ein sauberes Kinderzimmer geht das wohl in Ordnung. Der Mann hat eine ganze Menge dieser kleinen Gläser heute mit ins Büro genommen. Drin ist eine unfassbar unelegante, aber ziemlich leckere Mischung aus selbstgemachtem Vanillepudding, geschlagener Sahne, Quark, pürierten Erdbeeren und weißen Schokoladensplittern. In kleine Weckgläser gefüllt, sieht das dann ganz nett aus.
Jetzt Mittagspause mit anschließendem Feierabend. Morgen früh kommt der Tischler und repariert ein paar Rollläden.

Tag 1: Der Beginn der Ewigkeit

In der vergangenen Woche war mein letzter Arbeitstag. Jetzt liegt eine drei Monate große Freifläche vor mir, heute fängt sie offiziell an.

Processed with VSCOcam with se3 presetDie Menschen im Büro haben mir den Abschied äußerst schwer gemacht, sowas können sie gut. Ich trage eine von ihnen selbstgebastelte Fibel bei mir, in der sie gesammelt haben, was ich mit meiner Zeit so anstellen könnte. Quasi ein personalisiertes Zirkusprogramm inklusive eigens kuratierter Einkaufstipps. Das ist großartig und wird dringend benötigt. Habt vielen Dank, Lieblingsmenschen ausm Büro!

Bevor der große Spaß aber beginnt, steht in dieser Woche ausmisten und aufräumen an. So hab ich das gestern beim Übergang in den Mittagsschlaf zumindest geplant. Sogar richtig professionell mit Aufschreiben und Wochentagzuordnung:
Montag: Vorratsschrank und Küchenvertiko
Dienstag: Dr. Schmotzens Zimmer
Mittwoch: Flurschrank und jede Malm-Kommode, die ich finden kann
Donnerstag: Schlafzimmerschränke und finaler Abtransport zum Wertstoffhof
Freitag: frei
Samstag: Kickoff Gartenrenovierung

Ich hab mir das so gedacht, dass ich die Rümpelei morgens erledige, dann zu Mittag was nettes kleines koche und direkt Feierabend mache: lesen, in der Sonne liegen, Filme schauen, sowas. Anschließend wird das Kind abgeholt. Das hat sich in dieser Woche direkt mehrfach außerhäusig verabredet, da hab ich also noch mehr Zeit allein. Mir ist eingefallen, montags ist Damenschwimmen im Hallenbad. Könnt ich mir ja für nachmittags mal überlegen. Das Durchschnittsalter beträgt etwa siebzig, auch unterm Personal, das find ich angenehm.

Der Tag heute hat leider maximal ungünstig begonnen. Quasi mit dem worstcase aller größten anzunehmenden Unglücke: Es gab einen beträchtlichen Spinnenvorfall und ich war allein in der Wohnung. Warum wohn ich denn mit dem Mann zusammen? Wegen der ganzen Liebe und Familiensache, die wir zusammen haben, aber natürlich auch, damit er sich um die Spinnenvorfälle kümmern kann. Also die beträchtlichen, die normalen, die kann ich selbst wegorganisieren. Und dann ist er im entscheidenden Moment nicht da und das dicke Ding und ich sind auf uns allein gestellt. Zum Glück hatte ich meine Brille noch nicht aufgesetzt. Mit 0,5 Dioptrien weniger als gesund, wirkte sie nicht ganz so bedrohlich, ich konnte noch nicht mal ihr Fell erkennen. Aber ich wusste natürlich, was für ein Monster da in echt, also mit klarer Sicht, vor mir sitzt. Ich hab mich dann gekümmert, aber nochmal mach ich das nicht.

Ich fange jetzt an. Vorratsschrank und Küchenvertiko, los gehts.