Des Kindes Lieblingsbücher

Drüben bei Percanta gabs eine sehr einleuchtende Idee. Herr Buddenbohm schloss sich an, die Lieblingsbücher seiner Kinder mit jeweils O-Ton-mäßiger Kurzbesprechung der Kritiker vorzustellen.
Immer, immer habe ich offene Augen für gute Kinderbücher. Ein gutes Kinderbuch ist für mich sorgfältig getextet (möglichst vollständige Abwesenheit von Adverbien, möglichst priorisierte neutrale Verwendung von sprechakteinleitenden Prädikaten, also »sagte« statt »kicherte«, »grollte«, »meckerte«, »erwiderte« usw., möglichst flächendeckender Verzicht auf verniedlichende Neologismen, alles andere wird von mir live beim Vorlesen redigiert), ansprechend illustriert (gern entweder äußerst abstrakt oder vollkommen überladen, gern als Collage angelegt, alle Figuren mit überzogen großen Augen fallen raus) und dramaturgisch mit klarem Handlungsbogen und nicht esoterischer Aussage, von mir aus ohne glückliches Ende und Schlusspointe.
Ich fragte Dr. Schmotzen nach ihrer liebsten Lektüre und nachdem wir uns durch den Besitzstand durchgearbeitet hatten und uns darauf einigten, dass »darum« nicht als Begründung reichte, folgt nun das Protokoll einer Vierjährigen über ihre literarischen Freuden:

Hans de Beer: Kleiner Eisbär – Kennst Du den Weg, Lars?
weil der tiger zuerst noch nicht da ist und dann suchen sie die tigereltern und dann erschrickt sich lars vor denen.
(Immergleicher Aufbau der zahllosen Eisbärgeschichten: Lars verlässt seine stoischen, laissez-fairen Eltern, gerät in Schwierigkeiten, bei denen er Freunde findet und sie vor irgendwas rettet, kehrt am Ende zu seinen stoischen, laissez-fairen Eltern zurück. Viele Adverbien, flache Charaktere, grausam vorzulesen.)

Hans Limmer: Mein Esel Benjamin
weil der papa und das mädchen einen esel finden und mitnehmen und die mama wundert sich.
(Die beeindruckendste Textstelle für das Kind: »Mama machte natürlich große Augen«, über diesen Ausdruck reden wir jedes Mal und machen uns gegenseitig große Augen vor.)

Hänsel und Gretel, in einer Version von 1986
weil die im wald sind und die hexe kommt und dann schmeißt gretel sie in den backofen.
(Kauften wir auf einem Flohmarkt, wird von mir aus grausamkeitszensierenden Gründen beim Vorlesen redigiert. Wobei das Kind anscheinend die Kernhandlung verstanden hat.)

Janosch: Schnuddelbuddel baut ein Haus
weil die ein haus bauen und am ende kracht es um, weil aus einem haus so viele übereinander geworden sind. ganz viele häuser gestapelt.
(Janosch, my love.)

Erin Moser: Fantastische Gute-Nacht-Geschichten
weil darin so viele geschichte sind. am liebsten mag ich die, bei der der kater auf eine insel zieht und dann passt nur sein bett drauf, so klein ist die.
(Ganz nette Geschichtchen, die man gut weglesen kann, die sich allerdings gefühlt wiederholen.)

Sven Nodrqvist: Findus und der Hahn im Korb
weil pettersson ein paket mitbringt und findus sagt: hilfe, eine eule. und es ist aber ein hahn.
(Wie immer positiv reizüberflutend illustriert, sorgsam übersetzt, witzvoll dialogisiert, lese ich sehr gern vor.)

Anja Rieger: Viele kleine Weihnachtsgeschichten
weil da so viele geschichten drin sind mit kuchen.
(Viele kleine Textformen, das Kind fährt ganzjährig drauf ab. Kann am Glitzerfeature des Covers liegen.)

älteste Geschichte

Das Kind in der Badewanne leise zu mir, ich auf dem Rand: »ich möchte dich bitten, bleib immer bei mir. lass mich nicht allein.«