Vom Glück verpackt als Kuchen

Morgen feiern wir Monsieur LeGimpsis Geburtstag und um Kuchen wurde gebeten. In diesem speziellen Fall sogar um die Todsünde aller Kaffeekränzchen, um die ultimate force im Streben nach Endorphinen, um das größte Glücksversprechen im Zeitalter des Autoscooter, um den Double! Chocolate! Mud! Cake!
An dieser Stelle verweise ich ausdrücklich auf den rechtmäßigen und mir freundschaftlich verbundenen Besitzer des Rezepts: Quellenangabe.
Wohlan denn, schreiten wir zum Herstellungsprozess.

Für den Boden brauchst Du:
300 g Butter
300 g Zartbitterschokolade
5 Eier
5 EL Zucker
1 Prise Salz
150 g Mehl
0,5 TL Backpulver
Du zerlässt die Butter bei schwacher Hitze, hackst die Schokolade grob, bringst beide zusammen und lässt sie schmelzen.
Eier, Zucker und Salz schlägst Du schaumig. Du vermischst das Mehl mit dem Backpulver, rührst alle Komponenten zusammen und gibst sie in eine Springform.
Bei 160 °C backt der Teig 35 bis 45 Minuten im Ofen.
Nach der Backzeit legst Du den Boden auf ein Rost zum Auskühlen und vergisst ihn dort über Nacht.

Für die Cremes brauchst Du:
400 g Sahne
400 g Halbbitterkuvertüre
30 g Butter
Du erwärmst die Sahne bei schwacher Hitze und lässt die Kuvertüre darin schmelzen. Du nimmst eine Hälfte der Creme weg und gibst zu dem Rest die geschmolzene Butter.
Beide Cremes stellst Du über Nacht in den Kühlschrank.

Am nächsten Morgen freust Du Dich auf die Fertigstellung eines Meisterwerks und teilst den Kuchen quer in zwei oder drei Böden. Die Creme ohne Butter schlägst Du steif und verteilst sie auf dem oder den Boden oder Böden. Nun fügst Du alle Stockwerke zusammen.
Die andere Creme erhitzt Du gerade so, dass sie aus ihrer Kältestarre erwacht und verzierst damit die Oberfläche des Kuchens.
Für zwei Stunden muss der Double! Chocolate! Mud! Cake! nochmal in den Kühlschrank. Diese Zeit nutzt Du für zwei bis drei Triathlons. Danach legst Du Dich aufs Sofa und isst das Glück.

Ich helfe ihr nicht beim Einpacken.

Am Montag hat Monsieur LeGimpsi Geburtstag. Weil wir aber Rockstars sind, verlegen wir die Party und täuschen vor, er sei bereits am Sonntag irgendwann in den frühen Achtzigern geboren. Das passt uns besser. Am letzten Tag der Woche sitzen wir nicht an Schreibtischen, da achten wir nicht auf ausgewogene Ernährung. Da machen wir hedonistischen Kinder, was wir wollen.
Jedenfalls, fragt man Dr. Schmotzen (die in ihrer Dissertation eine akkurate Zitation betrieb und sich zudem gerade sehr amüsiert, weil sie weiß, dass es schwachsinnig, da nicht möglich, ist, Doktortitel vorübergehend abzulegen) fragt man also Dr. Schmotzen, ob sie auch ein Geschenk für Monsieur LeGimpsi bereithält und falls ja, was denn für eines, sagt sie zuversichtlich und überlegen irgendwie: wei_achtbaun.
Siehe Überschrift.

Vom Meeting

direkt zum Kinderturnen.
Bis auf die Frisurenmode keine Unterschiede zu verzeichnen.

Der letzte Pflaumenkuchen

Einmal habe ich ein Portrait über jemanden gesehen, der als Koch in einem Hospiz arbeitet. Jeden Morgen fragt er die Gäste nach ihren kulinarischen Wünschen für den Tag. Dann geht er auf den Markt, besorgt alle Zutaten, kocht und bringt das Essen ans Bett. Er bleibt dort sitzen und unterhält sich. Manche Leute können nur sehr kleine Mengen essen, einen halben Löffeln oder vielleicht weniger als drei Bissen. Für fast alle hat das Essen in dieser Phase ihres Lebens eine besondere Bedeutung. Die Erinnerungen an Linsensuppe führt sie zurück in vergangene Zeiten, Sushi bringt Neues, zum letzten Mal möglicherweise, und für die Dauer eines Mittagessens triumphieren sie über ihren sterbenden Körper.
Dieser Koch, eigentlich hat er den sinnvollsten Beruf, den ich mir vorstellen kann.

Jemand verschwindet

Als ich jünger war und ihr Zustand also näher an uns lag, schrieb ich einen Text über sie. Wenn ich sie heute sehe, wie sie eingekehrt ist, versteinert, wie sie nichts in sich lässt außer Brot und Tee, scheint ein ganzes Leben dazwischen zu liegen.

(Foto: youstine)
Jemand verschwindet
Ich kenne Jemand, die ist eine Eintagsfliege. Nein, eher eine Augenblicksfliege. Eine Fliege ist sie allerdings nicht, da bleibt also nur der Augenblick. Wobei Augenblick eine variable Größe ist. Vor einigen Jahren schien so ein Augenblick noch zwei Stunden zu dauern. Mittlerweile hält er nur wenige Sekunden. Dann drückt eine Zeitschaltuhr die Reset-Taste und: klack-klack alles verschwindet aus dem Zwischenspeicher. Dann ist auch direkt nach dem Senden ein Rückgriff nicht mehr möglich. Allein der Langzeitspeicher ganz unten, im Fundament, ist noch teilweise abrufbar. Manchmal.
Als die Augenblicke noch so ungefähr einen kurzen Spaziergang dauerten und der Langzeitspeicher die Gesichter und Orte noch mit Erinnerungen nährte, freute Jemand sich, wenn man sie besuchte. Sagte: „Mein Mädchen, bist groß geworden.“ und: „Kalte Hände hast du. Merk dir: Kalte Hände, heiße Liebe.“. Jedes Mal. Dabei lachte sie einen dann verschwörerisch an und war ein wenig stolz. Man dachte: Sie weiß zwar nicht mehr, wie ich heiße, aber sie weiß noch, wer ich bin.
Dann ging man ein Stück mit ihr an der frischen Luft. Und wenn sie die Bäume sah und die Felder, konnte sie daraus noch ableiten. Wusste am Stand des Getreides, welche Jahreszeit war und wie der Winter wird. Dann fiel ihr ein, dass der Bauer ja ihr Bruder war und sie als Kinder auf den Feldern arbeiteten. Das war meistens sehr verwirrend für sie. Sie verwechselte dann die Namen und die Beziehungen und nannte mich ihre Mutter und dann war das Durcheinander groß und sie ahnte, irgendetwas stimmt da nicht. Schon fanden ihre Augen einen besonders hohen Baum und ein neuer Augenblick begann. Klack-klack.
Heute gibt es keine Speicher mehr. Weder Langzeit- noch Kurzzeit- noch Zwischen-. Nur noch eine Aneinanderreihung von klack-klacks. Jemand scheint ein einziger Augenblick geworden zu sein. Sie sitzt in ihrem Raum und liest ein Buch. Sie liest das Buch schon seit mehr als anderthalb Jahren. Immer die gleiche Seite. Dabei gleiten ihre Augen über die Zeilen und man sieht, dass die Wörter das Papier nicht verlassen. Trotzdem sitzt sie dort, stundenlang auf ihrem Stuhl und hält sich das Buch vors Gesicht. Und dann setzt man sich zu ihr und sie lächelt indifferent und klack–klack die Reset-Taste hat auch die Unverbindlichkeit gelöscht. Man beobachtet sie und sieht ihren alten Körper und die Augen so leer und fern. Und manchmal, in der endlosen Augenblicksperlenkette, erwischt man einen besonderen Moment: Dann schaut sie einen an und ihr Blick entlässt eine vage Vertrautheit und sie sieht ein wenig erstaunt aus und schüchtern. Und kurz bevor man die Idee hat, dass sie ja gleich wieder den Satz mit den kalten Händen sagen könnte: klack-klack.

Klavier-Embargo

Nach zwei Wochen ohne Fernseher, dafür mit Klavier ist es Zeit für ein Fazit:
Das war eine glückliche Investition.
Mit raumfüllendem Instrument im Wohnzimmer lebt es sich gut. Es verbreitet eine handschmeichlerische, holzwarme, beständige Atmosphäre, ein wenig sophisticated indeed. Und reichert den Raum geschichtenwebend an. Es macht einen nach der Vorwelt  fragen und lässt Gedankenketten schmieden.
Allein, es fehlt an Gelegenheit zu musizieren, denn: Dr. Schmotzen liebt das Klavier und hasst es, wenn Monsieur LeGimpsi oder ich darauf spielen. Das ist paradox. Sobald ich das Notenbuch hole, mich auf den Schemel setze und die erste Taste anschlage, entlässt das Kind zunächst Drohsalven und alsbald Tränenbäche.
Dr. Schmotzen ist eifersüchtig auf ein Klavier. So spielt sie allein darauf und wir warten, bis sie glücklich in Verstand investiert.

Da ist ein Hund im Büro

Hermann heißt der und groß ist er nicht.
Wenn man neben Kühen und Pferden und Schweinen aufwächst und Hofhunde über Felder jagen, dann ist die Vorstellung, dass so ein Vierbeiner unter Schreibtischen schläft und um Stuhlbeine schlawenzelt äußerst skurril. Und dann verfällt man in empörtes Dementieren (neiiiiiiiiiiiin! hund? tiss? neiiiiiiiiiiiin! tuhl? neiiiiiiiiiiin!) und in diskreditierendes Lachen. Außer man ist älter als zwei.
Darum habe ich heute ein Beweisfoto gemacht. Jetzt hats Dr. Schmotzen geglaubt.