Wir spielen: Robinson Crusoe

Hui, das war komplex. So viele Regeln! So viele Schrauben und Bolzen und Rädchen, an denen gleichzeitig gedreht wird. Das Spiel gegen dich und du gegen das Spiel. Da brauchst du einen guten Partner an deiner Seite. Oder du nimmst halt den, der gerade da ist.
Monsieur LeGimpsi hat Robinson Crusoe schon ein paar Mal allein gespielt und wurde dabei immer von einem Eisbären gefressen. Natürlich hat sich eine wahnsinnige Furcht gegen wilde Tiere bei ihm entwickelt und ein bisschen auch gegen das Spiel. Darum hab ich drei Stunden beste Lebenszeit nach 20 Uhr geopfert und mich zu ihm gesetzt und meine verdammte Pflicht als Teammitglied bei einem kooperativen Spiel getan.
Kooperationsspiele sind mir die liebsten! Erstens sitzt man da so schön eng nebeneinander und Monsieur LeGimpsi sieht nicht, dass ich die Regeleinführungssituation manchmal für ein Schläfchen nutze. Diesmal sogar mit Tiefschlafphase, so kompliziert und ausgefuchst ist das alles und so gründlich muss erklärt werden.

Als es dann aber losging, war ich wieder voll da, denn das Setting ist wirklich gut: Man wacht auf einer unbekannten, einsamen Insel auf und hat eine Mission zu erfüllen, damit einen das später vorbeifahrende Schiff retten kann. In unserem Szenario mussten wir Feuer machen und einen Holzvorrat anlegen. Um das zu können, mussten wir Werkzeug bauen. Um das zu können, mussten wir Ressourcen sammeln. Um das zu können, mussten wir Ressourcen finden. Um das zu können, mussten wir Teile der Insel erschließen. Und um das alles zu können, mussten unsere Moral und unsere Unversehrtheit auf einem top Niveau sein, unsere Unterkunft dem immer schlechter werdenden Wetter entsprechend stabilisiert werden und unser Waffenlager groß genug, dass Eisbären uns nichts anhaben können. Außerdem streut das Spiel immer mal wieder unvorhergesehene Ereignisse ein, meistens schlechte, um die muss man sich auch kümmern.
Jeder Spieler hat pro Runde bis zu zwei Aktionen. Da kann man sich ganz frei ausleben, je nachdem, ob man eher ein risikofreudiger Typ oder konservativ ist. Bei ersterem stehen einem dann zwei Aktionen zur Verfügung, das ist grundsätzlich toll, aber dafür entscheiden Würfel, ob sie erfolgreich sind oder eben nicht. Ist einem das zu aufregend, entscheidet man sich halt für nur eine Aktion, aber die ist dann wenigstens sicher.
Die Umstände werden von Runde zu Runde widriger, sodass man genau analysieren und entscheiden muss, welche Aktionen, wie riskant gestaltet werden und welche Opfer man bereit ist, auf der Versehrtheits- und Moralskala zu bringen. Da hatte Monsieur LeGimpsi es natürlich gut, dass ich dabei war und das knallhart für ihn durchkalkuliert habe. Monsieur LeGimpsi neigt bei sowas immer eher dazu, völlig absurde Entscheidungen zu treffen. Der hätte aus unseren letzten drei Einheiten Holz vermutlich einen Gameboy geschnitzt, anstatt mit ihnen unser Dach gegen den Wirbelsturm zu sichern. Kein Wunder, dass er ohne mich sofort vom Eisbären gefressen wird. Bei mir hat der sich überhaupt nicht blicken lassen! Nur ein Wildschwein war kurz da. Am Ende haben wir ziemlich locker gewonnen und gleich das erstbeste Schiff nach Hause genommen. Das war schön, wir hatten sogar richtige Matratzen und es gab Kaffee. Und zum ersten Mal seit zehn Runden etwas anderes zu essen als Bananen.
Zur Insel gehört Freitag, der ist dort geboren und hilft einem. Ich hätte ihn am Ende gerettet, aber Monsieur LeGimpsi meinte, das sei Quatsch, die Insel nunmal seine Heimat, seine Lebensversicherung auch noch nicht ausbezahlt und so sind wir halt ohne ihn los. Tut mir leid, Freitag, ich hab dich sehr gemocht.

Was ich ebenfalls mochte, ist die Gestaltung des Spielmaterials (bloß nicht die Typo, aber das wäre jetzt kleinlich). Ich find die Illustrationen gut, die Qualität des Materials und dass sich das Spiel auch physisch richtig schön groß vor einem ausbreitet.

Kategorien: Kooperationsspiel, Strategiespiel, Kommunikationsleistung, Materialliebe, Schiffbruch, my man Freitag, Riesenmaschine
Dauer: bissi lang, wenn man die Regeln noch nicht so gut kennt
Frustrationstoleranz erforderlich: ja (alles soweit erledigt und dann kommt ein verkackter Hurrikan)
Anzahl der Spieler: zwei bis vier
Was machen Kinder solange: die Ressourcen verwalten

Wir spielen: 7 Wonders Duel

Ja, also das zweite Spiel, das sag ich mal gleich, fand ich nicht so gut. Da hab ich verloren und außerdem befand ich mich ab der ersten Runde in einer äußerst defensiven Position, weil Monsieur LeGimpsi direkt wie ein Irrer startete. Völlig aggro. Ich war dann die ganze Spielzeit darauf bedacht, dass er mich nicht zerstört oder punktemäßig davonläuft. Da war ich also mehr mit dem Gegner beschäftigt, als mit der eigentlichen Spielidee, nämlich mir eine schöne, prosperierende Stadt zu bauen. Das hat nicht so viel Spaß gemacht! Wie so ein kleiner Terrier bin ich rumgerannt und hab versucht, ihm ein Stück aus den Waden zu beißen.
Dabei kann 7 Wonders Duel ein richtig gutes Spiel sein. Es bietet einem an, sich strategisch schön auszubreiten und dann auf unterschiedlichste Weise zu gewinnen.

Eigentlich zieht man die ganze Zeit nur Karten. Die liegen in verrückter, genau einzuhaltender Formation vor den Spielern, manche verdeckt, manche offen, manche beides. Allein die Spielorbereitung erfordert fortgeschrittene Häkelkenntnisse. Nun ja, jedenfalls entscheidet man sich immer abwechselnd für diejenige Karte, die einem grad am besten in den Kram passt. Nur komplett frei zugänglich muss sie sein. Und bezahlen muss man sie können. Manche sind aber auch kostenlos, auf die war ich meistens angewiesen. Die Karten enthalten entweder Ressourcen wie Holz oder Siegpunkte oder Forschungssymbole oder Militärstärke oder kleine geheime Zeichen, die, wenn sie aufeinander treffen, wie Freitickets gelten. Man kann sich aber auch dazu entscheiden, die gezogene Karte zu entsorgen. Dann erhält man als Entschädigung einen Geldbetrag. Weil ich von vornherein in dieser defensiven Angelegenheit steckte, hatte ich leider kaum Mittel, Karten zu erwerben und war die meiste Zeit damit beschäftigt, zu schauen, welche Karten für Monsieur LeGimpsi wohl am interessantesten sein könnten und die dann aus dem Verkehr zu ziehen. Das war so entwürdigend! Ein elendes Rumgekrebse. Dabei hätt ich doch echt gern meine Stadt auf Vordermann gebracht. Je nach Kombination gesammelter Karten hätte ich dann in Wissenschaft investiert und Weltwunder errichtet. Ich hätte da so viel machen können, alle meine Stadtbewohner hätten ein schönes Leben gehabt. Ich hätte das bedingungslose Grundeinkommen eingeführt und alle hätten wenn überhaupt nur in Teilzeit arbeiten müssen. Und die Kinderbetreuung wäre 1a gewesen und die Renten sicher. Alle wären immer nur von Chefärzten behandelt worden und hätten umsonst Bus und Bahn fahren können und es hätte eine unfassbar hohe Reichensteuer gegeben und bestes Internet. Und in den Cafés und Restaurants hätte es immer eine Karaffe mit gratis Mineralwasser gegeben. Weil viel trinken doch echt wichtig ist. Ging aber alles nicht, blieb auf Krebsniveau. Monsieur LeGimpsi bedrängte mich ja bereits militärisch massiv, als ich noch nichts weiter als Stadtmauern hatte. What a dick move.
Aber das alles steckt jedenfalls in dem Spiel drin, wenn man einander lässt. Am Ende gewinnt derjenige, der die meisten Siegpunkte hat oder wissenschaftlich oder militärisch überlegen ist.

Kategorien: Strategiespiel, Aufbauspiel, Weltwunderweitwurf
Dauer: genau richtig
Frustrationstoleranz erforderlich: ja, wenn der Gegner ein kompetitiver Städtebauaggro ist
Anzahl der Spieler: zwei sind erlaubt
Was machen Kinder solange: schlafen

Wir spielen: Roll for the Galaxy

Monsieur LeGimpsi hat eine Woche Urlaub und ich weiß nicht mehr, was ich mir damit erkaufte, aber ich habe eingewilligt, in dieser Zeit an fünf Brettspielen teilzunehmen. Dr. Schmotzen und Spartacus würden uns tagsüber natürlich niemals in Ruhe spielen lassen, darum fallen fünf Abende dafür an. Abende im Sinne von Feierabende. Fünf!
Mit dem ganzen Gedöns vorweg: erst akribisch alles aufbauen, genau ausrichten, mir in größter Ausführlichkeit jede Regel erklären und dann mit dem ersten Spielzug beginnend alles in Frage stellen und jeden weiteren dreimal in der Anleitung nachschlagen, ob das auch seine Richtigkeit hat. Monsieur LeGimpsi ist im Brettspielzusammenhang der totale Jurist.

Jedenfalls Spiel eins von fünf: Roll for the Galaxy. Hat nichts mit Brötchen zu tun, schade.
Wir haben es gespielt, ich hab gewonnen. Es geht grundsätzlich darum, etwas aufzubauen, Welten, Planeten oder Räume oder so.
Damit man sie bauen kann, braucht man Ressourcen. Die werden durch Würfelwerte dargestellt. In jeder Runde können eine bis drei Aktionen ausgeführt werden. Wie viele genau und welche, entscheiden die eingesetzten Würfel, die hinter einem Raumteiler in größter Geheimhaltung gekullert und dann von dem Spieler selbst auf bestimmte Weise aktiviert werden, nämlich indem er sie wohlüberlegt auf oder um ein Plättchen herum positioniert. Der Vorhang wird gelüftet und je nachdem, wie der andere Spieler seine Würfel angeordnet hat, ergeben sich die folgenden Züge. In denen erwirbt man entweder neue potenzielle Weltenerweiterungskomponenten, Geld, das man in weitere Würfel investieren kann, aktiviert möglicherweise Weltenerweiterungskomponenten, produziert Güter auf ihnen herum oder wandelt diese Güter in Zeug um, das dazu beiträgt, einem die Meisterschaft in Sachen Galaxieimperialherrschaft zu sichern. Es klingt alles furchtbar kompliziert und irgendwie ist es das auch, aber nach der dritten Runde gehts eigentlich.
Es gibt sehr, sehr viele einflussnehmende Ereigniskarten, die im Spielverlauf zum Einsatz kommen. Bei mir hat schon eine handvoll gereicht, dass sämtliche Würfelwerte ihre Bedeutung verloren haben und von mir neu definiert werden durften. Eine Raute war mir ein Kreis, ein Auge eine Rakete und so weiter. Am Ende lebte ich in der Geschichte von Peter Bichsel und die Startregel spielte keine Rolle mehr. Da steckt viel Freiheit drin! Was da alles möglich ist.

Auf der Innenseite des Raumteilers sind alle zweihundertfünfundachtzig Regeln von einem Erstsemesterkommunikationsdesignstudenten festgehalten worden. Niemand sollte sich diese Darstellungen anschauen, sie sind überkomplex und tragen nicht zur Klärung bei. Ich mag die Gestaltung des übrigen Materials ebenfalls nicht besonders gern. Irgendwie ist da keine einheitliche Linie drin. Nee, also das kann man echt schöner machen.
Gerade bei vielschichtigeren Aufbauten läuft ja ganz viel Spielverständnis über die kommunikative Funktion des Materials. Das führt einen ganz automatisch und man muss nicht ständig ins Regelwerk schauen. Wenn die einzelnen Steine, Tafeln und Karten da nicht stimmig gestaltet sind und die kommunikative Dimension nicht so richtig zum Tragen kommt, stört das auf irritierende Weise den Spielfluss. Und bei diesem Spiel ist das eben nicht bis ins feinste gelungen. Also das nehme ich zumindest so wahr. Monsieur LeGimpsi schaut jetzt bestimmt grad wieder ganz bedenklich.

Was ich mag: Obwohl sehr viel gewürfelt wird, entscheiden kaum Glück oder Pech über den Spielverlauf. Weil meistens relativ zahlreiche Ressourcen aktiv sind, ist eigentlich immer eine nette Aktion möglich. Man schöpft viel aus dem vollen, das find ich gut. Ein Gefühl von Opportunitätskosten bei Entscheidungen hatte ich bei dem Spiel jedenfalls kaum, sowas führt bei mir immer zu Frustration. Nein, ist hier nicht vorgekommen. Ganz im Gegenteil, viel Freiheit, viele Möglichkeiten. Wenig Narzissmus von den Spieleentwicklern spürbar.

Kategorien: Aufbauspiel, Würfelspiel, Strategiespiel, Weltraumbaustelle
Dauer: genau richtig
Frustrationstoleranz erforderlich: nein (außer man schaut sich die Innenseiten des Raumteilers an)
Anzahl der Spieler: zwei fand ich gut
Was machen Kinder solange: schlafen

Wir spielen: Crazy Coconut

Was machen Affen, die alten Hedonisten, wenn der Tag lang ist? Kompetitiv mit Kokosnüssen auf Ziele werfen? Gut möglich. So verbringen wir jedenfalls unsere Tage im Moment. Mit einer Runde Crazy Coconut nach der anderen.
Das geht so: In der Spielfeldmitte steht eine Anordnung von Bechern, jeweils mit der Öffnung nach oben. Die Spieler versuchen mit ihrem persönlichen Katapultwinkearmschimpansen Weichgummikokosnüsse, die aussehen wie Schokoladennüsse, aber nicht so schmecken, ich habe das überprüft, in ihnen zu versenken. Sind sie dabei erfolgreich, gehört der jeweilige Becher ihnen. Hat der erste Mitspieler seine Kokosnüsse in insgesamt sechs Becher gepflanzt, ist das Spiel vorbei. Für einen schärferen Wettkampf sorgen zwei Maßnahmen: Es ist erlaubt, bereits eroberte Becher der Mitspieler feindlich zu übernehmen, indem man seine Kokosnuss mit der Affenschleuder reinbefördert und zweitens, kann man den Mitspielern das Leben durch Aktionskarten schwer machen, die sie dazu zwingen, mit geschlossenen Augen oder über weite Distanzen zu katapultieren.
Ich mag, dass man mal echt was machen kann. Nicht immer nur irgendwelche Karten umdrehen oder sammeln oder abstrakte strategischen Entscheidungen treffen. Nee, Katapult laden, zielen und schwups fliegen kleine Kanonen durchs Wohnzimmer. Manchmal landet eine zwischen Monsieur LeGimpsis Augen, aber dabei handelt es sich dann natürlich bloß um ein ärgerliches Missgeschick. Crazy Coconut: Im Prinzip wie Minigolf, bloß ohne rumlungernde Rentner.

Kategorien: Fingerspitze, Distanzschuss, Zielweitwurf, Tennisarm, Schleudertrauma, selbsterklärend
Dauer: genau richtig
Frustrationstoleranz erforderlich: ja. Ich hätt gern meine Kokosnuss zurück!
Anzahl der Spieler: zwei bis vier
Was machen Kinder solange: bestens mitspielen

Wir spielen: Splendor

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Wir haben die Spielesaison eröffnet. Monsieur LeGimpsi fuhr unter widrigen Umständen zur weltgrößten Spielemesse nach Essen und kehrte mit umfassender Ausbeute zurück.
Am Wochenende haben wir mit Dr. Schmotzen Kokosnüsse eingelocht und Stockwerke gestapelt. Dazu später womöglich mehr.
Mit dem guten Zeug fingen wir dann gestern Abend zu zweit an. Um acht schlafen einigermaßen zuverlässig beide Kinder, da bleibt genug Zeit für Monsieur LeGimpsi und mich und ein paar Würfel oder was man so zum Spielen braucht.
Für Splendor benötigt man casinomäßige Chips, die liegen richtig schwer in der Hand. Die Ästhetin in mir freut sich, dass die Spieleerfindertruppe Spacecowboys sich gegen Pappe und für Kunststoff entschieden hat (die umweltbewusste Planetenbewohnerin in mir freut sich darüber natürlich nicht so sehr, wobei, vielleicht ist das auch ökologisch korrekter Kunststoff).
Jedenfalls ist die Idee simpel: Mit fünf unterschiedlichen Wertmarkengruppen und einem Joker muss versucht werden, so in Ressourcen zu investieren, dass diese möglichst effektiv selbst als Investitionsmittel verwendet werden können und sie dann im Spielverlauf auch noch die Grundlage für Siegpunkte bilden. Nach einem eher mühsamen Beginn entwickelt sich ziemlich bald eine Dynamik, die dafür sorgt, dass man riesige Wertmarkenberge anhäuft. Wenn man sich geschickt anstellt und nicht zu lang spart. Da versteh ich auch, was die reichen Leute machen, wenn sie ihre Penunzen für sich arbeiten lassen. Nämlich nix. Viel Kapital entwickelt ganz von allein mehr. Und mit den Wertmarkenbergen kann man dann jedenfalls die großen Klunker kaufen und die machen dich zum Gewinner.
Pro Zug kann man sich nur für eine Aktion entscheiden, man muss also gut abwägen: entweder Kapital sammeln, eine Investition tätigen oder eine Investition planen. Das wars schon.
Gleich im ersten Durchgang hat sich uns eine ziemlich offensichtliche Frage gestellt, die weder in der Anleitung noch in einschlägigen Nerdforen geklärt wird. Darum werde ich mich direkt an den Autor wenden und hoffe, ich bekomme es mit einer Antwort zu tun. Huiui.
Ich mag ja Spiele, in denen man einigermaßen strategisch vorgehen muss, im Blick behält, wie es um den Gegner steht und man es bei der Spielmechanik mit einer einigermaßen ordentlichen Menge an Komplexität zu tun hat. Das ist bei Splendor alles nicht der Fall. Trotzdem mag ich das Spiel auf Anhieb sehr gern. Es ist schnell erklärt, schnell verstanden, kurzweilig und man kann nebenbei essen, ohne was zu verpassen. Oder mal eben dem kleinen Kind helfen, in die nächste Ladung Schlaf zu finden. Und danach gehts weiter, ohne sich großartig wieder einfinden zu müssen.

Kategorien: Kaufrausch, Materialliebe
Dauer: könnte länger sein
Frustrationstoleranz erforderlich: ja (wie komm ich jetzt auf schnellstem Weg zu acht Rubinen?)
Anzahl der Spieler: zwei bis vier
Was machen Kinder solange: arbeiten als Kundenbetreuer in der Edelsteinbank

Wir spielen: Zicke Zacke Hühnerkacke

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Dr. Schmotzen hat zum Geburtstag lauter pädagogisch einwandfreies Zeug bekommen. Und zwei Spiele, damit sie noch besser und gleichberechtigter mitmachen kann, wenn wir spielen.
Bei der Wahl der beiden Spiele für Kinder haben wir natürlich darauf geachtet, dass Monsieur LeGimpsi und ich im Gegenzug nicht wegschnarchen.
Wir haben uns für Zicke Zacke Hühnerkacke entschieden, da ist uns das astrein gelungen.

Ich finde Memory ja wirklich bekloppt. Das war schon als Kind so, ich hab da nie gegen meine Mutter gewonnen. Dabei ist genau das ja eigentlich üblich und wird bei der Schuleingangsuntersuchung auch abgefragt und kommt in die Akte. Kinder können sich mit ihren taufrischen neuronalen Verknüpfungen alles mögliche besser merken. Ob die Blume auf der Vorderseite des ersten Plättchens von links in der dritten Reihe abgebildet ist oder ganz unten auf der zweiten von rechts.
Das hat mich schon immer total gestresst, schon damals in den Achtzigern. Ich hab dann eigentlich nur noch gedacht, dass ich das jetzt wissen müsste, weil die Blume schon öfter aufgedeckt wurde und außerdem wird das von mir und meinem knackfrischen Hirn erwartet, alles andere wäre besorgniserregend. Meine gütige, schwache Mutter erfand dann neue Regeln, um es mir leichter zu machen. Ich durfte immer eins der beiden Plättchen, die man pro Zug aufdeckt, bis in alle Ewigkeiten offen liegen lassen. Das hat aber auch nicht geholfen und so mag ich Memory bis heute nicht. Sie hätte mich da härter rannehmen müssen, meine Mutter, das ist klar.

Dr. Schmotzen ist ein ganz herkömmliches Kind. Die kann sich alles prima merken. Memory und sie: keine verbrannte Erde. Darum gewinnt sie auch gegen mich, wobei das kein Kunststück ist, Besteckschubladen würden gegen mich im Memory gewinnen.
Ein Hauptbestandteil von Zicke Zacke Hühnerkacke liegt im Memorieren von Plättchen. Trotzdem mag ich das Spiel, denn der andere Bestandteil liegt im Jagen. Und jagen bedeutet Mensch gegen Mensch und im besten Fall ich gegen Monsieur LeGimpsi. Und Monsieur LeGimpsi spieltechnisch leiden zu sehen, ist immer alle Mühe wert.
Also. Du bist ein Huhn und hast eine Feder am Hintern kleben. Du stehst auf einem Kreis aus Karten und bewegst dich von Karte zu Karte. Peripher erkennst du, dass in weiter Ferne auch andere Hühner mit Feder am Hintern auf diesem Kreis stehen. Auf jeder Karte ist eine Illustration abgebildet, auf der Karte vor dir ist zum Beispiel ein Wurm auf nem Toast zu sehen. So. Das Problem ist, dass du nicht einfach auf die Wurm-Toast-Karte spazieren darfst, sondern erst das passende Plättchen aufdecken musst, das verdeckt neben anderen Plättchen im Kreisinneren liegt. Jede Kreiskarte hat also im Kreisinneren ein verdecktes Gegenstück, dass erst lokalisiert und identifiziert werden muss, bevor es vorwärts geht. Du bist ein Huhn, du suchst den Wurm auf Toast und du darfst nun genau eine der verdeckten Plättchen aufdecken. Wenn du das Spiegelei erwischst oder eines der anderen wurmlosen Plättchen, ist das nächste Huhn dran, sein passendes Plättchen zu suchen.
Nach einer gewissen Zeit kann man sich natürlich merken, welches Plättchen wo liegt, das ist dann quasi wie Memory.
Du darfst immer über so viele Karten spazieren, wie du die dazugehörigen Plättchen richtig aufgedeckt hast, logisch. Dabei entwickeln sich Dynamiken. Einige Hühner, beispielsweise Dr. Schmotzens oder Monsieur LeGimpsis, galoppieren in Lichtgeschwindigkeit von Karte zu Karte. Andere Hühner, beispielsweise meins, bleiben eigentlich bewegungslos auf der Startkarte stehen. Kommt dann so ein fremdes Huhn angerannt und überholt dich, darf es die Feder an deinem Hinter abreißen und sich selbst anstecken. Es geht im Prinzip also um eine Jagd nach Federn. Sobald ein Huhn die Federn aller Mitspielerhühner trägt, hat es gewonnen und das Spiel ist endlich vorbei und dieses Gefühl, völlig zu versagen wird langsam weniger.

Ich mag das Spiel trotzdem einigermaßen, weil es eine relativ spannende Treibjagd werden kann, vorausgesetzt, alle Mitspieler sind zumindest durchschnittlich talentiert in Gedächtnisangelegenheiten.

Kategorien: Gedächtnisspiel, Materialliebe, Jagdinstinkt
Dauer: genau richtig
Frustrationstoleranz erforderlich: ja (wo steckt der verschissene Wurm auf Toast?)
Anzahl der Spieler: zwei bis vier
Was machen Kinder solange: mitspielen und (aufgrund ihrer frischen, rosigen, unverkalkten neuronalen Verknüpfungen) gewinnen

Wir spielen: Die vergessene Stadt

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Was mich ja wirklich stresst, ist, dass es beim Spielen immer einen Gegner gibt. Das macht das Ganze so schrecklich kompetitiv und belastend.
Ich verliere Monsieur LeGimpsi als Mitspieler meistens aus dem Blick, ich nehme den dann nur noch peripher wahr, wenn ich spiele. Weil ich sehr mit mir selbst beschäftigt bin und mit den ganzen Spielregeln und Möglichkeiten und Mechanismen. Und dann dauerts auch immer eine Weile, bis ich mir eine Strategie für die Partie zurechtgelegt habe.
So passiert es sehr häufig, dass zu vorgerückter Stunde einer am Ende des Tisches irgendwelche Bärengeräusche macht und rumbrüllt, dass er der Größte sei und ein Genie und das erinnert mich daran, dass ich ja nicht allein spiele, sondern da noch jemand ist, Monsieur LeGimpsi nämlich, und dann hat er aber auch schon gewonnen und das Spiel ist vorbei.
Ich schaffe es also nicht, alle Fäden in der Hand zu behalten und gleichzeitig ein wachsames Auge auf des Gegners Machenschaften zu werfen, um ihnen ordentliche Paukenschläge entgegenzusetzen und ihn seelisch zu zermürben. Dazu reicht mein Hirn nicht. Ich vermute, dazu wird es nie reichen.

Darum hat es mich sehr gefreut, als Mann und Tochter eines Nachmittags das Spiel Die vergessene Stadt auspackten und unter Einsatz großer Freude aufbauten. Denn Die vergessene Stadt ist ein Kooperationsspiel. Da sitzt man nebeneinander und spielt gegen das Spiel. Das Spiel ist der Feind. Das ist das beste überhaupt! Da macht es auch viel mehr Spaß, zu gewinnen, weil dann hinterher keiner allein traurig ist. Oder man verliert, dann ist man gemeinsam traurig und lästert über das Spiel in seiner gesamten Doofheit und Arroganz.

Die vergessene Stadt ist mit seiner Ausstattung ein ziemlich nerdiges Spiel, würd ich sagen. Das sieht man daran, dass Monsieur LeGimpsi voll aufs Equipment abgeht und ich nicht so. Sogar eine Vorgeschichte gibts, die ist echt dramatisch: Eine Expeditionsgruppe ist vom Himmel gefallen und in der Wüste aufgeprallt. Alles ging drunter und drüber! Die Aufgabe ist nun, die im Sand verschollenen Wüstenschiffteile zu finden, die dann so montiert werden, dass das Wüstenschiff wieder funktionstüchtig wird und als Transportmittel zur Abreise taugt (wer will schon mehr Zeit als nötig in der Wüste verbringen?). Sandstürme und schrumpfende Trinkwasserreserven erschweren die Bergung natürlich erheblich, das kannste dir ja vorstellen.
Die Spielfiguren sehen aus wie Miniaturwüstenreisende oder eben Universalabenteurer. Die sind eigentlich ziemlich gut und detailreich gemacht, so richtig mit individuellen Outfits und Ausrüstung, je nach Spezialfähigkeit. Jede Figur hat nämlich eigene Kompetenzen. Es gibt zum Beispiel die Wasserträgerin, die kann ihr Trinkwasser mit anderen teilen. Oder den Bergsteiger, der kann über Dünenberge laufen, ohne sie vorher abtragen zu müssen. Vor dem Spiel beraten Monsieur LeGimpsi und ich uns immer, welche Figur sich jeder aussucht und basteln so unsere Grundstrategie zurecht.

Ich mags ja eigentlich lieber simpel, schlichte Holzzylinder in unterschiedlichen Farben zum Beispiel reichen mir vollkommen als Distinktionsmerkmal. Aber bei diesem Spiel ist das wirklich charmant gemacht. Da sind nämlich nicht nur die Spielfiguren aufwändig gestaltet, sondern auch andere Elemente, also die Teilziele und das Hauptziel. Wüstenschiffteile und Wüstenschiffrumpf. Das sind richtig kleine Propeller und Motoren, die eigentlich überhaupt keine eigene Funktion haben und die von mir aus auch gern im Karton bleiben könnten oder direkt beim Hersteller im Nachttisch. Aber mein Mitspieler freut sich jedes Mal wie ein Eichhörnchen über sie. Daran erkenne ich, dass sie eben doch funktional sind, sie sind nämlich Spielfreudegeneratoren. Die ziehen Leute wie Monsieur LeGimpsi ins Spiel rein und sind damit sinnstiftend.

Das Spiel besteht eigentlich nur aus Schiebungen. Man schiebt so vor sich hin. Das Spielfeld ergibt sich aus Plättchen, die im Quadrat gelegt werden und die Wüste darstellen. Unter diesen Plättchen liegen die Wüstenschiffteile verborgen, auf ihnen türmen sich Dünen. Weil sich die Plättchen dauernd nach links oder rechts oder oben oder unten bewegen, verändert sich das Setting ständig. Man muss sich immer wieder neue Wege überlegen, die Teilziele zu erreichen. Als wäre das nicht schlimm genug, schließlich bin ich geistig nicht besonders rege, baut das Spiel einen wachsenden Zeitdruck auf, indem nach jedem Zug Mechanismen greifen: Dünen bauen sich auf, die das Vorankommen erschweren, und Trinkwasser geht verloren. Ist hier schließlich eine kritische Menge erreicht, endet das Spiel. Es gilt also, alle Wüstenschiffteile in möglichst kurzer Zeit zu finden und zu bergen und gleichzeitig darauf zu achten, genug Trinkwasser vorrätig zu haben. Anstrengend! Zum Glück stellt das Spiel dann und wann Aktionskarten zur Verfügung. Da darf man dann etwa mit dem Raketenrucksack auf dem Spielfeld herumfliegen. Oder mit dem Vorwerk-Sandsauger größere Mengen an Dünen wegsaugen.
Hat man es dann allerdings geschafft und das Wüstenschiff just in time zusammengeschraubt, stellen sich je nach Spielerpersönlichkeit Satisfaktion bis Endorphinausschüttungen ein, die einen glauben lassen, man sei tatsächlich knapp mit dem Leben davongekommen. Und dann trinkt man erstmal nen Liter Wasser.

Ich finde, dieses Spiel ist pulstreibend.

Kategorien: Kooperationsspiel, Strategiespiel, Kommunikationsleistung, Materialliebe, Zeitdruck, Todesangst
Dauer: genau richtig
Frustrationstoleranz erforderlich: ja (zu viel Sand! zu wenig Wasser!)
Anzahl der Spieler: zwei bis fünf
Was machen Kinder solange: spielen ihr eigenes Abenteuer mit den übrigen Spielfiguren

Wir spielen: Im Wandel der Zeiten – Bronzezeit

Wandel_Zeiten

Eine der wärmsten und klarsten Erinnerungen an meinen Vater ist, wie er jeden Tag am Esstisch saß und gekniffelt hat. Kniffel war voll sein Ding. Das hat er ständig gemacht, meistens eine ganze Blockseite voll. Manchmal hat er uns am Ende seine Doppelpaschs gezeigt. Manchmal hat er mit uns gekniffelt. Manchmal um ein Fischbrötchen. Er konnte die Würfelwerte ratzfatz addieren, das war eigentlich eine einzige Handbewegung, würfeln, Wurf analysieren, einige Würfel einsammeln, neu würfeln. Und irgendwo dazwischen zusammenzählen. Die allerallermeiste Zeit spielte er allein für sich. Wo ist Papa? Der kniffelt. Im Nachhinein mag ich ihn sehr dafür.

Wenn ich mit Monsieur LeGimpsi Im Wandel der Zeiten – Bronzezeit* spiele, denke ich ein bisschen an Kniffel. Im Wandel der Zeiten – Bronzezeit ist so ähnlich, nur komplexer.
Im Grunde würfelt man und kann dann entscheiden, was man mit dem Ergebnis anfangen will. Je nach Strategie lässt man einen Teil der Würfel dann liegen und versucht sein Glück mit dem Rest. Bis zu drei mal darf man pro Zug würfeln. Zum Beispiel sammelt man ganz viel Getreide und versorgt damit seine Städte. Oder man sammelt Männchen und baut damit Städte oder Monumente. Oder man sammelt Blumenvasen oder Pfennige und kann dann Errungenschaften kaufen.

Es ist also ein Spiel, bei dem jeder so vor sich hin spielt und sobald einer ein gewisses Ereignis erreicht hat, zum Beispiel fünf Errungenschaften errungen, ists für alle vorbei und dann wird ausgewertet und wer die meisten Punkte hat, gewinnt.

Um die meisten Punkte zu bekommen, kann man unterschiedliche Strategien anwenden. Man kann Punkte erreichen, indem man Städte baut, indem man Monumente errichtet oder indem man in Errungenschaften investiert. Es werden einem Punkte abgezogen, wenn man bestimmte Vorgaben missachtet, zum Beispiel, wenn man seine Städte nicht hegt und pflegt, weil man zu wenig Getreide sammelt. Oder wenn man Pech hat und eine gewisse Anzahl an Todesgerippen erwischt.

Monsieur LeGimpsi hat oft eine sanktionsindifferente Aggressorenstrategie, bei der er zwangsläufig und zurecht viele Strafpunkte erhält, weil er total übersteuert auf Wachstum aus ist. Das ist wirklich ein übles Heuschreckenverhalten, völlig unethisch. Der sammelt dann ganze Armeen von Männchen und gibt denen kein Getreide. Was soll sowas, frag ich mich.
Ich spiele da eher gemäßigt. Ich bin total sicherheitsorientiert und lebe ständig in Angst, Strafpunkte zu bekommen und investiere darum immer zuerst in Schutzpolicen und Versicherungen und natürlich in Getreide. Vernünftig!
Dazwischen gibt es noch viele weitere Möglichkeiten, das Spiel planvoll zu bestreiten.

Ich mag an dem Spiel, dass es so dynamisch und exponentiell wachsend ist. Wenn man die Anfangsphase hinter sich gelassen hat, nimmt es Geschwindigkeit auf, es kommen von Stadt zu Stadt immer mehr Würfel hinzu, die dann den Punktewert ansteigen lassen, sodass man ständig neue Möglichkeiten hat und irgendwann völlig im Kaufrausch ist. Aber dann ist das Spiel gottseidank auch schon vorbei.
Ich mag auch, dass es zwar ein Glücks- weil Würfelspiel ist, aber trotzdem auch strategische Elemente gewinnbestimmend sind. So Masel und Köpfchen gleichermaßen.

Monsieur LeGimpsi und ich haben uns mal eine halbe Nacht über die Sinnhaftigkeit der Illustrationen auf dem beigelegten Steckbrett (auf dem wird zu Protokollzwecken der Gegenwert der Blumenvasen und Pfennige abgebildet), gestritten. Ich finde, die sind überflüssig und irritieren darum Neulinge. Mich haben sie anfangs jedenfalls irritiert. Monsieur LeGimpsi fand, das sei pillepalle und Anstellerei und Befindlichkeit und Jammern auf hohem Niveau und dass er das jetzt nicht weiter diskutiere. Da war er sehr bestimmt, aber er hatte diesen völlig unsozialen, menschenverachtenden Turbokapitalistenblick vom Spielen auch noch nicht abgelegt.
Außerdem mag ich die Würfel. Die sind schön aus Holz und mit Prägedruck.

Ich finde, dieses Spiel ist kurzweilig. Kniffel eben.

Kategorien: Glücksspiel, Würfelspiel, Strategiespiel, Materialliebe, schneller-höher-weiter
Dauer: schon vorbei?
Frustrationstoleranz erforderlich: ja
Anzahl der Spieler: egal
Was machen Kinder solange: Würfelservice (dürfen zwischendurch mal das Würfeln übernehmen)

* Im Wandel der Zeiten – Bronzezeit ist die Würfelspiel-Adaption des Brettspiels Im Wandel der Zeiten. Das kenn ich aber nicht, dazu sag ich nix.

Wir spielen: Dixit

Dixit

Ich bin ja ziemlich schüchtern. Und rede nicht gern, wenn mehr als ein Mensch im Raum ist. Es gibt auf Partys manchmal so Spiele, Tabu oder Activity oder Scharade, oder so. Bei denen steht man dann für kurze Zeit im Zentrum des Interesses und muss den Mitspielern selbstproduzierte Rätsel aufgeben. Ich geh dann nach Hause oder aufs Klo, wenns soweit ist, weil ich so ungern mitspiele. Weil ich genau weiß, wenn ich nen Oktopus pantomimisch darstellen soll, dann wird das nix. Und zwar big time.
So war ich mäßig begeistert, als Monsieur LeGimpsi meinte, wir besäßen jetzt ein astreines Partyspiel für die kultivierte Abendgesellschaft.

Das heißt Dixit und macht echt großen Spaß. Dixit ist ganz simpel und eignet sich prima auch für Schüchterne. Denn man gibt den anderen zwar ein Rätsel auf, aber danach laufen sie direkt alle los und kümmern sich ganz um sich selbst und man hat wieder seine Ruhe. Und das geht so:

Jeder Spieler hat sechs Karten und einen Spielstein. Die Karten sind großformatig, größer als Mau-Mau-Karten. Sie sind vollflächig mit psychedelisch-surrealen Motiven illustriert. Diese Bilder machen was mit einem und das sollen sie auch.
Ein Spieler fängt an. Er sucht sich versteckt eine seiner Karten aus und überlegt sich eine Aussage, die seiner Meinung nach zu ihr passt. Einen Satz oder ein Lied oder ein Gedicht oder ein Geräusch. Diese Kommunikationseinheit teilt er seinen Mitspielern mit.
Jetzt schaut jeder in seinen eigenen sechs Karten nach, zu welcher seiner Karten dieses Gesprochene oder Gesungene passen könnte und schiebt diese Karte dem Spieler verdeckt zu. Der legt die ihm zugeschobenen Karten (nachdem er sie gemischt hat) nacheinander offen auf den Tisch. Und jetzt muss jeder Mitspieler bestimmen, auf welche der ausgebreiteten Karten sich der Spieler bezog, als er seinen Satz oder was auch immer mitgeteilt hat. Gar nicht so leicht, weil im besten Fall jede Karte thematisch theoretisch richtig sein könnte. Die Illustrationen sind so offen gehalten, dass wirklich viel hineininterpretiert werden kann.
Punkte bekommen diejenigen, die mit ihrer Vermutung richtig lagen, also die korrekte Karte identifiziert haben, und natürlich der Spieler, der das Rätsel gestellt hat, solange weder jeder noch niemand auf seine Karte getippt hat, und die Mitspieler, von deren Karte jemand dachte, dass sie die richtige sei. Jeder, der Punkte bekommt, darf seinen Spielstein Richtung Ziel schieben. Wer zuerst die dreißig erreicht, hat gewonnen.

Es ist am Anfang gar nicht so leicht, eine angemessene Aussage zur eigenen Karte zu finden. Es geht um ein gutes Mittelmaß an Konkretheit. Sie muss abstrakt genug sein, dass nicht alle Mitspieler direkt wissen, welche deine Karte war (denn dann erhältst du keine Punkte) und gleichzeitig spezifisch genug, dass zumindest einige auf sie setzen. Nach der ersten Runde hat sich das aber wie von Zauberhand eingeruckelt und die Assoziationen fließen durch den Raum, dass Psychologen ihre wahre Freude daran haben.

Dr. Schmotzen spielt schon ganz gut mit. Es ist erstaunlich, wie sie eine abstrakte Aussage (etwa „morgen ist kein neuer Tag“) verstehen kann und aus den eigenen sechs Karten diejenige auswählt, die gut zu ihr passt. Das ist schon eine beachtliche Transferleistung.
Bloß wenn sie selbst dran ist, wirds zu beschreibend. Sie sagt dann Sätze, wie „Grüne Schnecke reitet auf kleinem Jungen“, das ist natürlich zu konkret, da haben die anderen Mitspieler dann keine passenden Karten in ihrem Stapel und am Ende weiß jeder, welche Karte dem Kind gehört und es bekommt dann null Punkte.

Ich mag dieses Spiel sehr. Es ist rasch erklärt, man kann direkt loslegen und braucht nichts aufzubauen. Die Karten sind mit schönem Strich illustriert.
Dixit hat eine gute Dynamik und eine angenehm schnelle Grundgeschwindigkeit. Weil alle Spieler permanent beschäftigt sind, muss niemand warten. Es gibt in jeder Runde Aha-Momente, wenn enthüllt wird, welche Karte die richtige ist, da wird dann meistens viel gelacht oder man versichert sich gegenseitig, wie Blöde alle sind, dass sie das Offensichtliche nicht erkennen. Die Kommunikation steht ziemlich im Mittelpunkt, der Spielstand wird schnell nebensächlich.
Ich finde, dieses Spiel ist freundlich.

Kategorien: Partyspiel, LSD olé, Assoziationstaumel, Illustrationskunst, Kommunikationsleistung, Abstraktionsfähigkeit
Dauer: genau richtig
Frustrationstoleranz erforderlich: nein
Anzahl der Spieler: drei bis sechs, besser sechs, als drei
Was machen Kinder solange: mitspielen

Uneingeschränkte Rechte am Bild: Monsieur LeGimpsi (im vollen Besitz des sachlichen und geistigen Eigentums)

Wir spielen

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Was ich an Monsieur LeGimpsi ja mag und mir gleichzeitig nicht ganz geheuer ist: Wenn er Interesse für ein Thema entwickelt, wird’s direkt exzessiv. Der kennt dann keine Grenzen mehr und gräbt sich wie so ein kleiner bebrillter Maulwurf rein ins Vergnügen. So wars auch, als er an einem Wochenende mal über tausend Seiten zur Musikgeschichte in Schriftgröße sechs Punkt gelesen hat. Und jetzt ist es ungefähr wieder so, nur dass ich dieses Mal mehr davon habe, denn es geht um Spiele.
Ich hasse ja Spiele aller Art (bis auf Sportspiele, aber die mag Monsieur LeGimpsi dafür dann nicht so gern. Hier handelt es sich aber um Spiele, für die man einen Esstisch braucht). Mir ist das immer zu umständlich, die Anleitungen zu lesen und zu verstehen. Ich schalte da direkt ab.

Jetzt ist es ja so, dass Monsieur LeGimpsi sich im Vorfeld immer akribisch und sehr kritisch informiert, bevor er das Spiel käuflich erwirbt. Da hat er sich also gedanklich schon mehrere Stunden mit dem Spiel, seiner Systematik und dem Regelwerk befasst. Wenn es dann seine beschwerliche Reise zu uns raus aufs Land gemeistert hat (Euphemismus für ethisch beschissene Amazonlieferung), ist der Herr innerhalb kürzester Zeit in der Lage, loszuspielen. Und dafür braucht er mich.

Ich hab dann meistens erstmal keinen Bock und lass ihn aufbauen. Das macht er mit größter Begeisterung zusammen mit Dr. Schmotzen und dort sitzen sie dann am Esstisch, die beiden fünfjährigen Mädchen, und reißen Plastiktütchen auf und freuen sich über die Spielsteine und beraten, ob man die mitgelieferten Spielstandserfassungspapierbogenblöcke im Internet Runterladen kann oder lieber das letzte Blankoexemplar aufbewahrt, um es auf den Kopierer zu legen, sollten jemals alle viertausendsechshundert Seiten aufgebraucht sein. Dann setz ich mich irgendwann dazu und lasse mir von Monsieur LeGimpsis Geekstimme die Regeln erklären. Mein Trick ist dabei, nicht zuzuhören bei vollster Simulation von Aufmerksamkeit. Und Begeisterung. Es geht dann üblicherweise zwanzig Minuten, nachdem er mit seinen Erläuterungen begonnen hat und auf jede noch so abwegige Sonderregel eingegangen ist, auch schon direkt los.

Und dann spielen wir. Weil ich nicht zugehört habe, erschließen sich mir die Regeln erst nach und nach. Und wenn ich ungefähr die ersten drei Mechanismen verstanden habe, finde ich auf einmal alles ganz toll. Dann machts richtig Spaß und ich will unbedingt gewinnen. Auf diese Weise habe ich in den letzten paar Wochen zehn neue Spiele kennengelernt. Das sind fünfmal so viele, wie ich vorher kannte. Und weil Monsieur LeGimpsi so absichtsvoll kaufentscheidet, sind die Spiele sehr verschieden und decken eine große Bandbreite an Komplexität und Mechanismen ab. Manche Spiele bestehen aus nur zwei Regeln, andere haben kapitelweise Anleitungen und können in zig Erweiterungen gespielt werden.
Ich mag auch, wie sich die Spiele in ihren Materialien und ihrer Gestaltung unterscheiden. Wie ihr Abstraktionsgrad immer genau richtig gewählt ist. Manche Spiele brauchen einfach Figuren, die aussehen, wie Miniaturwüstenreisende, während bei anderen einfarbige Holzkegel ganz prima sind. Fast jedes Spiel ist ein gutes Beispiel für intelligentes Kommunikationsdesign.

Ich könnte ja mal damit beginnen, die Spiele einzeln vorzustellen.